In Osaka ergatterte Diskus-Recke Robert Harting die Silbermedaille. Bei der WM in Berlin möchte 2,01-Meter-Hüne Gold gewinnen.

Kienbaum. Am 19. August kommt dem Frühstücksei von Robert Harting eine besondere Bedeutung zu. Der Diskus-Recke ist abergläubisch: „Wenn das Frühstücks-Ei runter fällt, wird der Wettkampf Scheiße“, sagt der Berliner und hofft, dass das Ei vor dem bisher wichtigsten Wettkampf seiner Karriere bei der Heim-WM im Berliner Olympiastadion seinen Platz im Eierbecher behält. Vor dem ISTAF im Juni war ihm das Ei aus der Hand gerutscht. 66,17 Meter und Platz drei waren für ihn nicht gerade der Hammer. „Daran hab ich gemerkt, dass ich wohl noch nicht fit bin“, meinte danach der Medaillen-Kandidat.

Für den Tag des WM-Finales prognostiziert der 2,01-Meter-Hüne nun: „Wenn mir da ein Teller aus der Hand fällt und ich trotzdem eine Medaille hole, dann schmeiße ich vor jedem Wettkampf einen Teller runter.“ So ist er, „der Harting“, wie er sich selbst auf seiner extravaganten Homepage nennt. Und man weiß nie, ob man ihn richtig ernst nehmen soll.

Für bare Münzen nehmen darf man aber seine Aussagen zum WM-Ziel: „Die Silbermedaille von Osaka ist nicht genug, ich will mehr.“ Und er fügt voller Selbstbewusstsein hinzu: „Für die Leistung bin ich selber verantwortlich. Meinen 68er Wurf wird kein Regen aufhalten können.“ Wozu der dann reicht, steht in den Sternen. Viel wird von der Konkurrenz abhängen und da gebe es Unwägbarkeiten: „Die WM wird ein Riesen-Fasching. Einer der Favoriten stirbt in der Quali – so war es immer -, aber nicht ich. Und im Finale kommt dann eine Bombe aus der Versenkung, mit der keiner gerechnet hat.“

Dennoch ist Harting ganz sicher, dass die WM das Top-Event seines Lebens wird. „Olympia war zu anonym, das Olympische Dorf zu unübersichtlich. Berlin, das ist mein Publikum, da wird es Emotionen geben“, hofft der 24-Jährige, der im Vorjahr in Peking knapp am Podest vorbei geschrammt war. „Im Sport ist 90 Prozent mental, der Rest ist Kopfsache“, zitiert Harting eine seiner Lebensweisheiten. Einen Mental-Trainer braucht er dennoch nicht. „Wenn dir ein Psychologe hilft, deine Leistung abzurufen, dann denkst du doch: Das war auch sein Werk. Wenn es dir aber gelingt, dich selbst dorthin zu entwickeln, dann bringt es viel mehr Power. Dann ist es die Rakete.“


Hartings Entwicklung zum Top-Werfer war eine Achterbahnfahrt. Zum Sport gebracht hatten ihn seine Eltern mit neun Jahren in Cottbus, weil ihnen sein „Freizeitverhalten zu gefährlich“ geworden war. Mit der „Gefahr ein Ghetto-Kid“ zu werden umschreibt er gern sein ruppiges Verhalten in der Schule. Doch Schwimmen, Fußball und schließlich Handball-Training brachten ihn in die Spur. „Ich war ein richtig guter Handballer, aber weil sie mich wegen nicht gezahlter Mitgliedsbeiträge in einer Verlierer-Situation gebracht hatten, bin ich abgehauen und hab' mit fast zwölf Jahren bei der Leichtathletik angeheuert“, beschreibt er seine Kindheit.

An der Lausitzer Sportschule war er im Diskuswurf mit 15 Jahren aber nur die Nummer elf und musste sich „weit hinten anstellen“. Doch mit Bundes-Nachwuchstrainer Wolfgang Kurth kam ihm der „Erlöser“: „Ihm habe ich viel zu verdanken.“ Er wechselte nach Berlin, wurde 2001 Zweiter der U 18-WM, doch dann riss er sich in der Vorbereitung auf die Junioren-WM den Finger auf, musste fünfmal operiert werden und neuen Anlauf nehmen. „Ein Riesen-Rückschlag.“

Doch Harting biss sich durch, wurde 2005 unter Trainer Werner Goldmann U 23-Europameister. Der kurzzeitige Wechsel zu Bundestrainer Jürgen Schult brachte nicht den gewünschten Erfolg. „Da habe ich gespürt: Ich brauche einen Trainer, der mich tritt. Zudem hatte Werner Goldmann das ideale Knowhow. Da bin ich wieder zurück zu ihm und glücklich damit.“ Die Diskussionen um die DDR-Doping- Vergangenheit seines Coaches, der zum 31. Dezember 2008 vom DLV keinen Vertrag mehr erhielt, gingen nicht spurlos an ihm vorüber. „Im März war das Training so neutral, so leblos. Ich war stinkig auf all jene, die dafür verantwortlich waren und hatte den Kopf nicht frei. Ich dachte, der WM-Zug ist abgefahren“, schildert er seine Krise.

Jetzt sind die Weichenstellungen klar, Goldmann liegt ein neues Angebot vom DLV vor, und Harting wird trotz seiner penetranten Rückenprobleme immer besser. „Aber ich habe ja meine Wundersalbe Finalgon extra. Die ist zwar so stark, dass sie die Apotheken jetzt aus ihrem Angebot genommen haben, aber für das Training brauche ich sie“, meinte der Recke und freut sich umso mehr, dass nach einem Aufruf im Spreeradio 20 Tuben der Paste gesammelt werden konnten.

Besonders motiviert ist Harting durch Sponsor Werner Gegenbauer, der ihm für die WM einen verheißungsvollen Deal angeboten hat: Sollte der 130 Kilo schwer Riese das Gerät auf 68,50 Meter schleudern, darf er ein Wochenende im 525 PS starken Audi-R8-Sportwagen des Hertha- Präsidenten verbringen. „Dann mache ich so viele Verkehrsdelikte wie möglich“, kündigt Harting schon jetzt eine ausgelassenen Stimmung an. Seine Bestleistung steht seit 2008 auf 68,65 Meter, im WM-Finale dürfte die Weite eine Medaille wert sein.