Schon zwei Stunden vor der Bekanntgabe wusste München: Das Projekt Olympia 2018 ist gescheitert. Man bekam nur 25 von 95 Stimmen.

Durban. Die Hoffnung auf Olympische Winterspiele in München versickerte schon am frühen Nachmittag. Zwei Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe des Gastgebers im Jahr 2018 sagte Jacques Rogge einen scheinbar neutralen Satz zu den Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). "Liebe Kollegen", begann der IOC-Präsident, "Sie haben den Gastgeber gewählt." Schon nach dem ersten Wahlgang stand der Schauplatz mit absoluter Mehrheit fest.

Dass München oder das französische Annecy als dritter Wettbewerber ohne die Stimmen des jeweils anderen Europäers die absolute Mehrheit erhalten haben könnte, erschien nun schwer vorstellbar. "Als wir das hörten, haben wir es geahnt", gab Münchens Oberbürgermeister Christian Ude später zu Protokoll. Dieser Moment habe sie "auf die Niederlage vorbereitet".

Bei ihren vorangegangenen beiden Bewerbungen hatte Südkoreas drittgrößte Stadt Pyeongchang den ersten Wahlgang gewonnen. Später zogen die Kandidaten Vancouver (2010) und Sotschi (2014) jeweils noch an den Asiaten vorbei. Das hatte die Münchner Bewerbungsgesellschaft gehofft, die die deutsche Wintersportbegeisterung und die überwiegend bereits vorhandenen Arenen in die Waagschale geworfen hatte.

Es kam anders. Um 17.19 Uhr öffnete IOC-Präsident Jacques Rogge im Durbaner Kongresszentrum den Siegerumschlag. Auf ihm war Pyeongchang vermerkt und nicht etwa München, das zum ersten Mal seit 1936 deutscher Gastgeber für Olympische Winterspiele sein wollte. An der südafrikanischen Küste begann die Zeit der Tränen.

Die Olympiasiegerin Kim Yu-na sackte geradezu in sich zusammen, und der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), ParkYong-sung, schluchzte ungehemmt in die Anzüge der anderen Funktionäre, die ihn wild umarmten. Seit zehn Jahren hatte die Bewerbung nationale Priorität, die Blamage einer dritten Niederlage wäre gewaltig gewesen. "In Südkorea feiern gerade drei Millionen Menschen auf den Straßen. Wir sind überglücklich", sagte Organisationschef ChoYang-ho. Einige seiner Mitstreiter wirkten vor allem eines: erleichtert.

Die Zustimmung aber war gewaltig: 63 der 95 stimmberechtigten IOC-Mitglieder votierten für Pyeongchang. Deutschland kam trotz der Unterstützung der obersten Vertreter von Politik und Sport - Bundespräsident Christian Wulff und Franz Beckenbauer - nur auf 25 Stimmen vor dem französischen Annecy (sieben; siehe Kasten).

Auf der Seite der Verlierer war Katarina Witt, die diese anfangs zähe Bewerbung mit ihrem Lachen belebt hatte, die Enttäuschung am meisten anzusehen. Unermüdlich hatte sie für die Spiele geworben, ihre vierten sozusagen, nachdem sie drei als Aktive erlebt hatte. "Natürlich sind wir extrem traurig", sagte sie, als die ersten Tränen aus den Augen gewischt waren. "Wir hatten ein tolles Team, das in den vergangenen Monaten eng zusammengewachsen ist." Es gebe offenbar die Tendenz beim IOC, weiter nach Asien zu expandieren. Rogges Trost, alle drei Bewerber hätten die Spiele "problemlos und glänzend" organisieren können, half da wenig.

Sollte es München nach der vierten Niederlage Deutschlands nacheinander im Werben um Olympische Spiele noch einmal versuchen? Die Frage drängt sich auf, zumal neben Pyeongchang auch Rio de Janeiro den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2016 erst im dritten Anlauf bekommen hat. Das müsse man jetzt erst einmal sacken lassen, wich Witt aus. Ob oder wann Deutschland sich erneut um Olympische Spiele bewerbe, "werden wir in aller Ruhe und mit gebührendem Abstand entscheiden", sagte IOC-Vizepräsident Thomas Bach.

Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will erst einmal den Tag verarbeiten: "Für mich ist es wichtig, dass alle ihr Menschenmögliches gegeben haben. Ich bin vor allem angesichts der Art und Weise, wie wir uns heute präsentiert haben, sehr zufrieden." Deutschland war eine fehlerfreie und gleichzeitig bewegende Schlusspräsentation gelungen - wie allerdings Pyeongchang auch.

Letztlich setzte sich das südkoreanische Versprechen durch, neue Wintersportmärkte zu erschließen Auf einer Leinwand leuchteten die Schauplätze der bisherigen 21 Winterspiele auf - 19 in traditionellen Märkten in Europa und Nordamerika, nur zwei in Asien (Sapporo 1972, Nagano 1998). "Diese Bewerbung sendet auch ein Zeichen der Hoffnung an Entwicklungsländer in aller Welt", sagte NOK-Chef Park, "die Spiele waren in der Vergangenheit nur für reiche und große Länder."

"Neue Horizonte" hieß deshalb das Motto oder direkter ausgedrückt: Wir sind einfach dran. Den Nachfragen zum mangelnden Schnee hielt Bewerbungschef Cho entgegen, der Schnee liege bis zu 36 Zentimeter hoch. "Und wir haben 498 Schneekanonen." Und die Stadien würden voll sein. Skirennfahrer Felix Neureuther erinnert sich an ein Weltcup-Rennen in Pyeongchang: "Da waren mehr Sportler als Zuschauer."

Für das Plus an Begeisterung soll in den kommenden sechseinhalb Jahren ein 500 Millionen Dollar teures Wintersportprogramm sorgen. Die Nachricht der verpassten Spiele verbreitete sich jedenfalls innerhalb von Sekunden auf allen Kontinenten. Bis in Tausende Meter Höhe. Franz Beckenbauer saß da schon im Flugzeug zurück nach Deutschland. Der Pilot wird das Ergebnis nicht gern durchgegeben haben.