Der schwerhörige Bernd Ruhnau errang seine Titel in sechs unterschiedlichen Sportarten. Doch Freundschaften sind ihm wichtiger.

Hamburg. 26 Titel in sechs unterschiedlichen Sportarten. Mehrfacher deutscher Meister im Fußball, Bowling, Eis- und Asphaltstockschießen, auch beim Schießen mit Luftgewehr und Pistole. Bernd Ruhnau ist ein ehrgeiziger Sportler. Seine Erfolge und die vielen Ranglisten, in denen er an erster Stelle geführt wird, machen ihn stolz. Noch stolzer ist er aber auf die Freundschaft zu seinen Mitstreitern, Gegnern und zu einer jungen Sportlergruppe, die er früher trainierte.

Der 49-Jährige ist von Geburt an schwerhörig. Eine Behinderung, die Menschen leicht isolieren kann. Das Gemeinschaftsgefühl beim Mannschaftssport sei für ihn wertlos, so Ruhnau, wenn es kurz nach Wettkampfende verloren geht. "Ich will den hörbehinderten und nicht-behinderten Sportlern immer vermitteln, dass wir auch abseits des Sportplatzes etwas unternehmen können", sagt der gelernte Feinmechaniker. Ein Hörgerät hilft ihm, Gespräche in normaler Lautstärke zu verstehen.

Ruhnau, der 1986 zum Hamburger Schwerhörigen-Sportverein kam, trainierte bis vor zehn Jahren hörbehinderte Kinder in einer Fußballmannschaft. Noch heute wird er dazu "überredet", mit seinen ehemaligen Schützlingen, mittlerweile zu Mittzwanzigern herangewachsen, um die Häuser zu ziehen. "Ich finde es toll, dass man all die Jahre investiert hat und unser Verhältnis heute immer noch hervorragend ist", sagt Ruhnau.

Der gebürtige Niedersachse ist ein Allroundtalent. Auf ganze sechs Sportarten verteilt der Angestellte einer Firmenpoststelle seit 1997 seine freie Zeit. Als Jugendlicher ging Ruhnau zur Leichtathletik, und schon dort hatte er nicht etwa eine Spezialdisziplin. Seine große Liebe gehörte dem Siebenkampf.

Aktuell hat er ein Faible fürs Stockschießen. 2008 gewann er die deutsche Meisterschaft im Einzel und mit der Mannschaft. Seit Sommer vergangenen Jahres bereitet er sich auf die offene Meisterschaft in Längenfeld (Österreich) vor, die am Ende dieses Monats ausgetragen wird. "Mindestens alle zwei Wochen wird mit ein paar Freunden auf Asphalt geübt." Kurz vor dem Wettkampf treffen sich hörgeschädigte Sportler aus ganz Deutschland zum Abschlusstraining. Ein Team besteht zwar nur aus zehn Schützen. "Aber jeder, der unbedingt dabei sein will, wird auch mitgenommen", sagt Ruhnau.

Im Nachbarland geht es dann auf Eis zur Sache. Hin und wieder zieht es den Routinier sogar ins bayerische Holzkirchen, zu den Schwiegereltern, damit er sich unter realen Bedingungen vorbereiten kann. Der Trip ist nicht immer leicht für ihn, denn die "bayerische Taktik" kostet ihn Nerven. "Die schießen die gegnerischen Stöcke einfach nur aus dem Weg, in der Hoffnung, dass gegen Spielende noch einer von ihren im Zielkreuz liegt." Das Spiel seiner Mannschaft habe mehr zu bieten als nur "Zerstörung". Integration ist Ruhnau wichtiger. "Bei uns punktet jeder, das ist gut für das Selbstvertrauen unserer Schützen", sagt er - und kann sich dann doch nicht ganz gegen altbekannte bayerische Einflüsse wehren: "Wir fahren entspannt zu den Wettkämpfen, schau'n mer mal ..."

In ein paar Wochen wird Bernd Ruhnau, der normalerweise "Anzugverweigerer" ist, für seine sportlichen Erfolge geehrt. Die Sportgala am 15. Februar besucht er trotz Kleiderordnung regelmäßig und gern. 15-mal wurde er ausgezeichnet. So oft war er unter den Gästen, dass er mittlerweile sogar von HSV-Legende Uwe Seeler erkannt wird. "Er kam bei der letzten Gala auf mich zu, gab mir die Hand und fragte nach meiner Sportart. Ihm war es schon fast ein bisschen unangenehm, weil wir uns seit mehr als zehn Jahren begegnen", erinnert sich Ruhnau. Auch für die nächsten Jahre sind Gala-Besuche eingeplant. Sein Ziel: "Sport treiben, bis ich 100 Jahre alt bin."