Die 18 Jahre alte Billardspielerin wurde deutsche Jugend-Meisterin 2009 und erlangte bei der Europameisterschaft die Bronzemedaille.

Hamburg. Auch wenn die Resonanz oft überschaubar ist, einen Zuschauer weiß Vivien Schade immer am Tisch: ihren Gegner. Wenn die 18 Jahre alte Billardspielerin mit dem Queue die Kugeln mit der Monotonie eines Uhrwerks in den Löchern versenkt, bleibt dem Gegenüber meist nur die Rolle des staunenden Beobachters.

So wie bei den deutschen Jugend-Meisterschaften 2009, als sie im hessischen Bad Wildungen den Titel im 9-Ball holte und wenig später bei der Europameisterschaft an selber Stätte die Bronzemedaille gewann. Die Luxemburgerin Catherine Wirtz durfte in der dritten Runde ganze dreimal an den Tisch treten, bis Vivien die sechs benötigten Siege sicher hatte. "Das war schon Wahnsinn", erinnert sie sich. Zumal die Billstedterin erst seit September 2006 in ihrer Sportart aktiv ist.

Ein Jahr hatte sie gebraucht, um Ersatz für ihre eigentliche Passion, den Fußball, zu finden. Wegen zu kurzer Achillessehnen wechselte Vivien Schade bei Bergedorf 85 vom Angriff zunächst ins Tor, doch am Ende lehnte ihr Körper auch diesen Kompromissvorschlag ab. Sie musste ein Angebot des HSV ablehnen. "Ich saß zu Hause rum und fragte mich: Was mache ich jetzt?" Die Antwort gab ihre Mutter, die ihre Tochter ins Auto steckte und mit ihr zum BC Bergedorf fuhr.

Die Erinnerungen an ihr erstes Mal in den Clubräumen des Billard-Vereins sind drei Jahre später noch präsent. "Aus den Boxen tönte ,Fairytale Gone Bad' von ,Sunrise Avenue' und gleich mein erstes Spiel gewann ich gegen einen Jungen. Der kam nie wieder", sagt Vivien und lacht: "Ich freue mich mehr über Siege gegen männliche Gegner. Bei denen ist der Ärger meist größer. Wollen wir 'ne Runde spielen?"

Die Kugel mit der Neun zu lochen, darum geht es beim Neun-Ball. Das Problem: der weiße Spielball muss immer die Kugel mit dem geringsten Wert anspielen. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9: Vivien locht die Kugeln in einem Tempo, mit dem ein Zweijähriger Zahlenreihen aufsagt. Alles wirkt einstudiert, automatisiert. Ein Blick auf den Tisch, dann wird Position bezogen, der Spielball ins Visier genommen: Klock - drin. "Das einzig wirklich Wichtige beim Billard ist Selbstdisziplin", sagt sie, senkt den Kopf und locht weiter.

Ihr Trainer führt den Satz fort. "Und daran muss sie arbeiten", sagt Thomas Stahl. "Sie ist manchmal überehrgeizig, zu emotional." Fünfmal fünf Stunden trainiert sie pro Woche, am liebsten mit ihren Teamkollegen und Freunden Jan Wolf und Mario Stahl, 15 und 16 Jahre alt. Aber für Vivien Schade beginnt nun eine neue Zeitrechnung. "Sie ist das Aushängeschild unseres Vereins", sagt Ute Baron, Erste Vorsitzende des BC Bergedorf, "jetzt muss sie sich bei den Erwachsenen beweisen."

Die Ziele für 2010 stehen. Vor dem Abitur will sie im Januar und Februar bei den Norddeutschen Meisterschaften ihre große Rivalin, die deutsche Meisterin Susanne Bahnsen, bezwingen. Nur die 37 Jahre alte Kielerin hatte der jungen Hamburgerin noch die Grenzen aufzeigen können. "Nun ist sie fällig", sagt Vivien, die im neuen Jahr auf gesteigerte Resonanz hofft. "Ein Sponsor wäre nicht schlecht, dann könnte ich auch mal auswärts auf Turniere fahren. Und ich bin Single, aber das muss ja nicht so bleiben", sagt sie und lacht. Denn mit Männern spielt sie ja bekanntlich am liebsten.