Der Oberkontrolleur befürchtet eine Blockwahl. Supporters-Kandidat Johannes Liebnau: Sind dialogbereit.

Hamburg. Als sich der Aufsichtsrat des HSV in der Nacht zum Mittwoch mit dem Vorstand traf, um über die Folgen der Finanzkrise zu debattieren, war der Rekord längst gebrochen. Es war die 67. (!) Sitzung seit der Wahl des Gremiums am 22. November 2004. Bezeichnend dafür, wie konfliktbeladen die Beziehungen in der Führungsetage sind, ist die Tatsache, dass der Vorsitzende Bernd Hoffmann auch schon am Montagabend im Finanzausschuss des Gremiums seine Prognosen abgeben musste. Einen Tag später kamen zum gleichen Thema nur Axel Formeseyn, Henning Trolsen und Jürgen Hunke hinzu, der auch Mitglied des Finanzausschusses ist. Die anderen hätten als Gäste teilnehmen können. Grotesk, aber Ergebnis dessen, dass man sich nicht einigen konnte, wer denn die Sitzung überhaupt initiiert hatte.

Am 25. Januar wird, das steht bereits fest, der Aufsichtsrat ein völlig neues Gesicht bekommen. Bis zu jener Mitgliederversammlung wird es um die Aufgaben und Ausrichtung des Rats gehen, aber auch um Bewerber - und die Folgen für den Vorsitzenden Bernd Hoffmann. Im Abendblatt hatte Aufsichtsrat Horst Eberstein sein Ausscheiden erklärt und offen darauf hingewiesen, dass die Abwahl Hoffmanns betrieben wird: "Er soll weg."

Nun geht auch Horst Becker, der Vorsitzende des Aufsichtsrates, in die Offensive: "Der Verein steht vor einer Zerreißprobe. Es wäre schlimm, käme es zu einer Blockwahl." Becker, seit 1996 im Gremium aktiv, präzisiert: "Es scheint so zu sein, dass man vier, fünf oder sechs Leute unterstützen will. Man könnte zu dem Schluss kommen, dass bestimmte Ziele verfolgt werden." Was er meint: Hoffmann zu kippen.

Kritisch beäugt von Becker wird die Maßnahme der Abteilung Förderer und Supporters, vier Kandidaten ins Rennen zu schicken. Anja Stäcker, Ingo Thiel, Manfred Ertel haben sich schon offiziell beworben, Johannes Liebnau fehlt noch auf der Liste. Andreas Ernst und Katrin E. Sattelmaier sind Vorschläge aus anderen HSV-Organen und haben ebenfalls gute Chancen. Ihre Kandidatur eingereicht haben zudem der frühere Stadionsprecher Marek Erhardt und Ex-Präsident Ronald Wulff.

Auch Aufsichtsrat Jürgen Hunke erklärte auf Abendblatt-Anfrage, dass er erneut antreten werde. Becker, Willi Schulz und Bernd Enge gehen fast sicher ins Rennen. Wer von ihnen jedoch Chancen hat, hängt auch von der Gunst der Abteilung Förderer und Supporters ab.

Bei der Zusammenstellung ihrer eigenen Kandidaten soll es, so rumort es im HSV, um die Beantwortung zweier Kernfragen gegangen sein: Sind die Bewerber für oder gegen Hoffmann? Sind sie gegen oder für eine Ausgliederung des Profibereichs?

Ein Gerücht, dem Kandidat Liebnau, bis vor Kurzem selbst Mitglied der Abteilungsleitung, vehement widerspricht: "Das ist schlicht gelogen. Es ging um zwei Punkte: Welche Kompetenzen gibt es, und inwieweit geht es um die Sache oder den Posten?"

Befeuert wurde der Verdacht der Machtübernahme zuletzt durch die Kandidatur von Supporters-Mitglied Guido Zerbe bei der Delegierten-Wahl in HSV-Ochsenzoll. Die Abteilungsleitung der Supporters erklärte gestern, dass Zerbe kein Kandidat der Abteilung für dieses Amt sei: "Bei der Größe unserer Abteilung wird es immer wieder Kandidaten geben, die aus eigenem Antrieb kandidieren."

Aufsichtsrat Ernst Otto Rieckhoff, der um seine Wiederwahl in Ochsenzoll bangen muss, reagiert zurückhaltend: "Ob mich jemand stürzen will, kann ich wirklich nicht beurteilen. Ich gebe nur eines zu bedenken: Ochsenzoll ist der Ort des Sportes. Und nicht der Vereinspolitik. Ich kann nur hoffen, dass alle Sport treibenden Amateure, die mit Ochsenzoll zu tun haben, am 8. Dezember kommen, um mich zu unterstützen."

Ex-Präsident Jürgen Hunke, der die Arbeit des Vorstands in der Vergangenheit stets kritisch begleitete, sieht für den Klub keine Gefahr durch die Supporters: "Junge Mitglieder sind die Vereinsbosse von morgen. Das sind die Zeichen der Zeit." Dass die Supporters Hoffmann entmachten wollen, will Hunke nicht bestätigen: "Es gibt viele Leute, die eine engere Kontrolle haben wollen. Im Aufsichtsrat geht es um die mittelfristige Existenz des HSV, während der Vorstand nur den kurzfristigen Erfolg sieht."

Zu viel Nähe wird auch Horst Becker vorgeworfen. Als "fünftes Vorstandsmitglied" wurde er schon spöttisch tituliert, weil er zu sehr auf Hoffmann-Kurs sei und keine distanzierte Kontrolle ausübe - was Becker aufregt: "Wenn Fehler und Missstände zutage treten, muss Distanz gewahrt sein. Aber es ist doch unsere Aufgabe, eng zu kommunizieren. Beide Gremien haben ein Interesse: den Erfolg des HSV."

Darum geht es laut Liebnau auch den Supporters bei ihrem Bemühen, ihre Kandidaten im Gremium unterzubringen: "Uns liegt das Wohl des Vereins am Herzen, das kann man uns nicht absprechen. Dass, sobald Leute mit wirtschaftlicher Kompetenz antreten, die gleichzeitig Fans sind, die Welt untergeht, ist unsachlich und unrichtig. Wir sind jedenfalls zum Dialog bereit."