ABENDBLATT: Herr Potofski, wer gewinnt das Deutsche Derby?

ULLI POTOFSKI: Gewiss hat Andrasch Starke mit Axxos erste Chancen. Mein Herzenstipp aber ist Waldvogel mit Jockey Jozef Bojko. Eigentlich kann er nicht siegen, aber im Turf ist alles möglich - wie im Fußball auch. Bojko reitet am Derbytag übrigens auch mein Pferd Askant.

ABENDBLATT: Sie sind bekennender Fan des FC Schalke 04 und des Pferderennsports. Das liegt doch meilenweit auseinander. Wo liegt der gemeinsame Reiz?

POTOFSKI: Von wegen. Das liegt dicht beieinander. Beides sind höchst gesellige Ereignisse mit enormem Unterhaltungswert und Spannungsfaktor. Außerdem ist auf dem Sattelplatz an den Rails und im Fußballstadion das Volk zu Hause. Dort fühle ich mich heimisch.

ABENDBLATT: Wie sind Sie zu diesen Hobbys gekommen?

POTOFSKI: Das sind mehr als Hobbys, das ist Leidenschaft pur. Mein Leben basiert auf diesen Säulen. Das mit Schalke kam automatisch, schließlich bin ich in Gelsenkirchen geboren. Mitten auf Schalke, direkt neben der Glückaufkampfbahn. Nach der Meisterschaft 1958 sind Zehntausende praktisch vor meiner Haustür vorbeimarschiert. Und der fünfjährige Ulli hat eine Fahne aus dem Fenster wehen lassen. Sowas prägt lebenslang.

ABENDBLATT: Und das Faible für Pferde?

POTOFSKI: Das begann 1967, mit 15 Jahren. Mein älterer Bruder wurde zur höheren Schule geschickt, ich sollte Koch lernen. Und zwar auf dem Schloss Horst, in Schnuppernähe zur Galopprennbahn. Dort traf ich 1969 meine erste Dreierwette: 821 Mark für 2,50 Mark Einsatz. Ich fühlte mich wie der König von Gelsenkirchen. Dieser Volltreffer hat mein Leben beeinflusst.

ABENDBLATT: Warum?

POTOFSKI: Weil ich mir vom Gewinn, der mir als Lehrling wie ein riesiges Vermögen vorkam, ein Tonbandgerät kaufte. TK 21 von Grundig, damals der absolute Hit, für 400 Mark. Damit fing ich an, Radio zu spielen. Ich bin auch raus auf die Straße, um Interviews zu führen. Die Menschen haben immer mitgemacht. Aus diesem Vergnügen wurde später mein Beruf.

ABENDBLATT: Mit den anderen Hobbys lässt sich ja auch kaum Geld verdienen...

POTOFSKI: Sehr höflich formuliert. Die Kosten für Schalke halten sich ja in Grenzen, aber die Rennen sind schon ein teurer Spaß. Zumal ich schon in jungen Jahren zu den stolzen Besitzern zählte. Der erste war Win It all. Er gehörte uns zu fünft, war dreimal Zweiter, verdiente seinen Hafer mehr schlecht als recht. Und dann war da noch die Traberin Eva November. Ein liebes Tier, aber kein sehr schnelles. Sie lief zigmal, kam aber nur einmal ins Geld. Im Gegensatz zu Askant, der viel Freude und auch ein oder zwei Euro bringt. Hoffentlich auch an diesem Sonntag hier in Hamburg. Aber ums Verdienen geht's gar nicht.

ABENDBLATT: Sondern?

POTOFSKI: Ein Rennpferd sein Eigen zu nennen, ist Adrenalin pur. Da kann ich zwei Nächte vor Aufregung kaum schlafen. Stehe aufgeregt im Führring, fiebere beim Start wie ein Weltmeister mit. Dass ich quasi als kleiner Schalker Bergmann einen Vollblüter des Barons von Ullmann schlagen kann, ist doch Wahnsinn - so als Beispiel. Das Gesamterlebnis Rennbahn ist großartig, der Spaß, das Palavern, das Zocken.

ABENDBLATT: Wetten Sie denn?

POTOFSKI: Ja, ich bin ein Zocker, dazu stehe ich. Für mich ist Wetten Hochgenuss, ein Stück Lebensqualität. Dieses Prickeln! Natürlich darf man es nicht übertreiben. Ich habe keine Angst vor Verlust, ich kalkuliere ihn ein.

ABENDBLATT: Über Jahre summiert sich das gewiss ganz schön. Hand aufs Herz: Haben Sie unter dem Strich ein Eigenheim verjubelt?

POTOFSKI: Eine kleine Eigentumswohnung vielleicht - auf Schalker Preisniveau. Das ist mir dieses Hobby aber auch wert. Andererseits fahre ich keine teuren Autos, spiele nicht Golf, unterhalte keine drei Frauen und trage keine Designerklamotten. Das wäre auf Dauer alles viel kostspieliger geworden.

ABENDBLATT: Spielen Sie auch im Casino?

POTOFSKI: Manchmal, höchstens dreimal im Jahr. Wenn ich zur Rennwoche nach Baden-Baden fahre, der Atmosphäre wegen. Mit kleinen Einsätzen. Galopprennen ist unvergleichlich reizvoller, ein Spaß mit lebenden Zahlen. Zocken gehört dazu.

ABENDBLATT: Andere scheinen Pferderennen weniger reizvoll zu finden. Warum geht es den Veranstaltern so schlecht?

POTOFSKI: Irgendwann wurde leider aufgehört, vernünftiges Marketing zu betreiben. Vielleicht wurde früher auch zu viel geschummelt, so dass sich das Publikum veralbert fühlte. Letztlich wurde der Anschluss an das moderne Freizeitempfinden verloren. Es sind schlicht die Visionen abhanden gekommen. Außerdem wurde verpennt, das Wettgeschäft selbst in die Hand zu nehmen. Man überließ anderen das Feld. Eine Internetplattform wäre ein Weg gewesen.

ABENDBLATT: Wie kann es wieder aufwärts gehen?

POTOFSKI: Ich war kürzlich zu einem Kreativtreffen auf Initiative des Galopper-Direktoriums in Köln geladen. Dort wurden ein paar Anregungen diskutiert. Klar ist, dass der Galopprennsport die Chance hat, als Event anerkannt zu werden. Es beginnt bei der Vermarktung, die nach Vorbild des Profifußballs zentral erfolgen muss. Motto: Global denken, regional handeln. Es muss mehr Entertainment her als in den vergangenen 50 Jahren. Ideen gibt's genug.

ABENDBLATT: Wir hören . . .

POTOFSKI: Man müsste ein ganzes Maßnahmenbündel ergreifen, auch um große Firmen in die Gestaltung eines Renntages einzubeziehen. So ließe sich auch eine große Jackpotwette besser vermarkten. Und eine Art Telewette muss wieder her. Wenn ich das Sagen hätte, würde ich 2008 einen Bundesliga-Renntag ins Leben rufen - mit einem Fernsehsender und der Wirtschaft als Partner. 18 Pferde am Start, jedes mit einem Bundesligaverein als Pate. Mit entsprechenden Jockeyfarben und allem drum und dran. Es ließe sich so viel unternehmen.

ABENDBLATT: Was denn noch?

POTOFSKI: Zum Beispiel eine große Show am Vatertag. Oder ein Formel 1-Renntag. Mit etwas Tamtam kommen 5000 neue Kunden. Wenn zehn Prozent wiederkommen, hat man schon gewonnen. Meine Prognose: Ein Bundesligarenntag, richtig inszeniert, hätte den höchsten Wettumsatz des Jahres.

ABENDBLATT: Und was ist mit Trabrennen? Ist diese Sportart am Ende?

POTOFSKI: Zumindest ist sie scheintot. Traben ist ein Vergnügen für kleine Leute, Galopp auch für Personen mit Geld. Ich befürchte, dass nur der Amateur-Trabrennsport überlebt. Galopp ist eine ideale Sportart fürs Fernsehen, wenn man eine professionelle Technik nutzt. Mit guten Kameras, Navigationssystemen in den Jockeyhelmen und so weiter. Gibt es in Asien und den USA überall. Es ist die große Kunst, den Turf zeitgemäß und mit neuen Produkten in Szene zu setzen. Beim Boxen ist dies mit viel Fantasie gelungen - die waren ja auch am Ende.

ABENDBLATT: Viel ist vom Derby an diesem Sonntag nicht im Fernsehen zu sehen . . .

POTOFSKI: Das ist unbegreiflich. ARD und ZDF zahlen weit mehr als 100 Millionen Euro für die Fußball-EM 2008. Kein Wunder, dass sie für andere attraktive Sportarten kein Geld mehr übrig haben. Dabei ist es doch nicht die Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen, den Profifußball zu sanieren. Allerdings muss sich auch der Galopprennsport den Vorwurf gefallen lassen, zu untätig zu sein. Notfalls muss man mal 30 000 oder 50 000 Euro in die Hand nehmen. Das machen andere Sportarten ja auch. Und plötzlich sind sie im Fernsehen.

ABENDBLATT: Zurück zum Derby. Werden Sie am Toto zuschlagen?

POTOFSKI: Ein paar Euro werde ich investieren, auch wenn die Entscheidung schwer fällt. Wichtiger ist, dass Askant gut abschneidet. Außerdem bin ich seit einer Woche stolzer Besitzer einer Blauen Mauritius.

ABENDBLATT: Das ist erklärungsbedürftig . . .

POTOFSKI: Ich meine es im übertragenen Sinne. Es handelt sich um ein Fußballlied auf CD, das zur Schalker Meisterschaft auf den Markt kommen sollte. "Ein Stern, der über Schalke steht!" Leider wurde daraus nichts. Daher besitze ich ein Unikat. Das ist viel mehr wert als Geld.