BAD BEVENSEN. Fahrgeräusche auf dem holprigen Kopfsteinpflaster. Pferde strecken ihre Köpfe durch die Boxenklappen, neugierig auf den Hof linsend. Boxerhündin Gipsy kommt angewetzt. Eugen-Andreas Wahler parkt seinen schwarzen Porsche abseits der imposanten Kastanie, begrüßt gut gelaunt die Vierbeiner. Eine herzliche Umarmung inklusive Küsschen für Ehefrau Alexandra, dann geht's auf die Terrasse: Kaffee, selbst gebackener Rhababerkuchen - und ganz tief Luft holen.

"Hier wird Kraft getankt", sagt Galopperpräsident Wahler, lehnt sich im Gartensessel zurück, genüsslich die Idylle des 500 Jahre alten Klosterhofes musternd. Auf 6,5 Hektar sind 250 Pferde, Personal und die Wahlers zu Hause. Alles ist picobello in Schuss, prächtig gedeihen die Stockrosen im Bauerngarten, Mädchen halten Dressur- und Vielseitigkeitspferde auf Trab. Vor dem Haupthaus steht ein kapitales Ross aus Eisen: Caprimond, ein erfolgreicher Trakehnerdeckhengst.

1963 erwarb Eugen Wahler sen. den malerisch gelegenen Klosterhof im Ortsteil Medingen in Bad Bevensen inmitten der Lüneburger Heide. Weitläufigkeit und Ruhe sind ideal für die Trakehnerzucht. 1977 übernahmen die Brüder Eugen-Andreas und Burkhard den Betrieb des Vaters. Während Burkhard das florierende Geschäft weiter betreibt, zog sich Eugen-Andreas vor vier Jahren aus dem Vollbluttraining zurück, um sich "nur" noch auf zwei Standbeine zu konzentrieren.

Auf den Hauptberuf als Rechtsanwalt und Notar in eigener Kanzlei in Uelzen sowie auf das Ehrenamt im ehrwürdigen Hamburger Renn-Club, traditionell Ausrichter des Deutschen Derbys. Seit 1990 im Vorstand, seit 2002 als Vize- und seit drei Jahren als Präsident. 2,2 Millionen Euro Schulden, mittlerweile abgebaut, waren eine hohe Bürde. 2006 kam noch der Job im Deutschen Galopper-Direktorium hinzu.

Dass der Tag gegen sechs Uhr mit Langlauf beginnt, selten vor Mitternacht endet, und dass die Woche nicht selten 70 Stunden umfasst, quittiert der HRC-Boss mit einem Lächeln. Und mit Fingerzeig auf Gattin Alexandra: "Sie hält mir den Rücken frei." In jeder Beziehung. Als Schülerin lernte sie den Jurastudenten Eugen-Andreas einst in Münster auf der Straße kennen. Während des Derbymeetings kümmert sich die gelernte Reisebürokauffrau um die gesellschaftlichen Ereignisse. Den Rest des Jahres über führt sie Besuchergruppen durch das 1214 errichtete Kloster nebenan - als Hobby.

"Unsere drei Kinder sind längst aus dem Haus", sagt Eugen-Andreas Wahler beim finalen Kuchenstück. "Dennoch pflegen wir enge Kontakte." Marina (28) ist Juristin in Leipzig, Anna (26) Rechtsreferendarin in Hamburg, Alexander (23) studiert Sport-Management in Salzgitter. Mit dem Vater eint ihn die Leidenschaft für sportliche Betätigung und den HSV. Seite an Seite mit dem früheren Präsidenten Franz-Günther von Gaertner wird im "Kuchenblock" mitgefiebert.

Boxer Gipsy wird unruhig: Grummelnd kündigt sich ein Gewitter an. Begleitet von einem Donnerschlag geht's in das 1505 gebaute Fachwerkhaus. Früher wohnten hier Rechtspfleger und andere Bedienstete des lokalen Amtsgerichts. Heute haben die Pferde das Kommando, zumindest optisch.

Mit Fotos und Pokalen lebt Wahlers Ära als Aktiver im Reitsport auf. Erinnerungen werden wach an das Amateurchampionat der Hindernisjockeys 1973, an 250 Ritte auf allen möglichen Bahnen (auch in Hamburg-Horn), an 42 Siege, an Erfolge als Vielseitigkeits- und Springreiter, an Triumphe mit selbst trainierten Galoppern. "Erinnerungen" anderer Kategorie sind nicht zu sehen: Im Sattel brach sich Eugen-Andreas (57) in jüngeren Jahren viermal das Schlüsselbein und mehrfach Arme und Beine. Die übelste Tragödie, ein nur knapp überlebter Genickbruch, ereignete sich 1977 bei einem Verkehrsunfall in Altona. Als Beifahrer. Heute steuert Wahler lieber selbst. Mit seinem Porsche legt er 80 000 Kilometer jährlich zurück, zigmal Bad Bevensen - Horn und retour.

Fast immer sind Diktiergerät und Handy-Freisprechanlage im Einsatz. So bleiben die Rechts- und Rennbahngeschäfte in Fahrt. Auf andere moderne Errungenschaften wie Computer oder E-Mails via Blackberry verzichtet der HRC-Boss dagegen. Ebenso wie auf EC- oder Kreditkarten: Eugen-Andreas Wahler pflegt cash zu bezahlen. "Nur Bares ist Wahres", sagt er. Das war von jeher Sitte auf dem Klosterhof.