BARDONECCHIA/SESTRIERE. Wie alles angefangen hat, das weiß Katharina Himmler noch genau. Sie war 13, und sie liebte das Windsurfen. In einer Fachzeitschrift sah sie dann zum ersten Mal Fotos einer neuen Sportart: Snowboard. "Von dem Zeitpunkt an war ich infiziert."

Jetzt ist Katharina, genannt "Ena" Himmler 30 Jahre alt und bei Olympia. Sie war es schon einmal: 2002 startete die Münchnerin im Parallelriesenslalom, einer Disziplin, in der sie 1999 Weltmeisterin war. In Salt Lake City belegte sie den elften Platz. Seitdem aber hat sich viel geändert. Drei Jahre lang hat Himmler kaum noch Leistungssport betrieben. Sie schloß ihr BWL-Studium ab, reiste durch Amerika, arbeitete in einer PR-Agentur.

Gleichsam durch eine Hintertür hat sie wieder Einlaß gefunden in die olympische Familie: in der neuen Disziplin Snowboardcross, die morgen in Bardonecchia mit dem Männerwettbewerb ihre Premiere bei Winterspielen erlebt. "Eine ganz spektakuläre Sache" sei das, versichert Gernot Raitmair. Der Österreicher war einmal ein Star der Szene und betreut jetzt als Trainer die vier deutschen Olympiastarter.

Snowboardcross ist Snowboard kraß. Zu viert stürzen sich die Fahrer gleichzeitig in einen Parcours aus Sprüngen, Rampen, Steilkurven und Bodenwellen. "Man muß auf alles gefaßt sein", sagt Himmler, "ein kleiner Fehler, und du bist weg." Bei 80 km/h kann dies eine schmerzhafte Erfahrung sein, auch wenn Himmler beschwichtigt, das Risiko sei "nicht so groß, wie es aussieht". Es gibt Helm, Rückenpanzer, Knieschützer und sogenannte Crashpants, um die Sturzfolgen zu begrenzen.

Notfalls hilft man sich selbst. "Bei Sprüngen halte ich mir schon mal den Gegner vom Leib", erzählt der Heilbronner Michael Layer (27). Kleine Rempler werden toleriert, Schlagen und Festhalten nicht. Je länger der Wettkampftag, desto gefährlicher wird es - weil die Kräfte schwinden: Inklusive Qualifikation, die einzeln auf Zeit gefahren wird, müssen die Männer bis zu fünf Läufe absolvieren. Das sei so anstrengend, sagt Layer, "als würde man fünf Abfahrten an einem Tag fahren".

Trotzdem kämpfen die Cross-Spezialisten selbst in der Snowboardszene um Anerkennung. Auch an geeigneten Übungsstrecken fehlt es. Die weiten Trainingsreisen nach Übersee aber kosten Kraft und Geld. Eine olympische Medaille, glaubt Himmler, "würde sicher helfen, daß wir endlich den Funsport-Status überwinden".

Nur an der nötigen Wettkampfeinstellung fehlt es nicht. "Wir hauen uns da voll rein", verspricht Layer. Und wenn es dann trotz allem nicht klappen sollte, dann wird er es wieder versuchen. Er kann nicht anders. "Snowboard ist wie eine Sucht. Wenn man einmal angefangen hat, kommt man nicht mehr davon los."