Waseberg: Am Anstieg in Blankenese feierten 10 000 Fans Ullrich, Zabel und den Letzten.

Hamburg. "Über den Wolken, la, la, la, muß die Freiheit wohl grenzenlos sein." Aus den Lautsprechern dröhnt Dieter Thomas Kuhn, genannt die "singende Föhnwelle". Mit seiner Frisur hätte der Schlager-Barde an diesem Sonntag wohl Schwierigkeiten. Doch ist es Feiertag in Blankenese: Der (Wase-)Berg ruft - und Tausende sind gekommen. Zu Fuß, per Fahrrad, S-Bahn oder Auto.

Wie Klaus Reiter, der mit seinen Kindern Juliane (14) und Sven (8) sowie zwei Freunden eigens aus Harburg angereist ist. Seit 1997 ist der Waseberg, eine 600 Meter lange Straße in einem Waldstück und am Gipfel 96 Meter über dem Meeresspiegel, Attraktion und Nadelöhr der HEW-Cyclassics. Die Reiters sind zum ersten Mal hier, das aber schon seit 11.30 Uhr. Dabei wird die erste von vier Überquerungen erst für 14.30 Uhr erwartet. "Der Jan Ullrich hat noch gestern im Fernsehen erzählt, daß der Waseberg häufig unterschätzt wird", sagt Klaus Reiter. Filius Sven hat seine Favoriten auserkoren: "Ich bin für Ullrich und Erik Zabel."

Deren Namen und Spitznamen ("Go, ULLE!", "ETE") haben Fans auf den Asphalt des 15 Prozent steilen Anstiegs gemalt - wie bei der Tour de France hinauf nach Alpe d'Huez. Beim "Elb d'Huez" stehen die Radsportfreunde jedoch in Sechserreihen hinter den Absperrgittern, auf einer Brücke und über dem Hang. "Toll, daß alle so auf die Sicherheit achten", meint Organisationsleiter Wolfram Schleif, der zum zehnten Mal 50 Helfer von THW, Feuerwehr und Polizei routiniert koordiniert - zur Not mit Trillerpfeife! Die ist auch noch zu hören, als Jörg Ludewig in einer dreiköpfigen Spitzengruppe den Waseberg bei der ersten Überquerung meistert. Sein Name ist ebenfalls auf den Asphalt gepinselt. Danach wird die Straße vorübergehend geöffnet - Völkerwanderung in Blankenese. Junge Väter mit Bollerwagen und Mütter mit Picknickkörben steigen herab, unten spielen junge Männer Boccia, auch Würste sind - trotz des Regens - in Arbeit. Grillen mit "Ulle" statt Leben wie Gott in Frankreich.

Kommerziell indes ist der Waseberg schon vor der zweiten Passage bezwungen. Blaue Ratschen des Noch-Titelsponsors und weiße des künftigen sind die Renner, dazu Eis und Bier von Verkäufern mit geschulterten Zapfanlagen. 0,3 Liter für 2,50.

Roger Klindworth genießt weder Bier noch Apfelsaft, sondern italienischen Weißwein. Auf seiner überdachten Terrasse an der Blankeneser Hauptstraße sieht er mit Familie und Freunden am Fernsehschirm, wie die Profis mit bis zu 500 Watt Leistung den Waseberg hinauffahren, um Sekunden später an seinem Haus vorbeizurasen. "Nur einmal waren wir bei den HEW-Cyclassics im Urlaub", erzählt Klindworth. Sein Freund Thorsten Schima, am Vormittag noch 100-Kilometer-Jedermann-Teilnehmer, wurde bei einer Kreuzfahrt schon mal auf den Waseberg als Hamburger Wahrzeichen angesprochen - nicht etwa auf die Reeperbahn . . .

Die Fans kommen aus Nordhessen, Nürnberg und mit ihren schwarz-gelben Fahnen sogar aus Flandern, um dabeizusein, wenn dort Gänsehautgefühl und Party-Feeling Tandem fahren. Passend dazu erklingt bei der letzten Überquerung Europes "The Final Countdown", untermalt von einem tobenden Meer aus Menschen und Rasseln, vor allem für Jan Ullrich. Aber auch der Letzte, der Spanier Jose Carrasco, wird förmlich den Berg hinaufgepeitscht. Der Italiener Antonio Salomone hat sogar noch ein Lächeln für die Fans übrig.

Heute indes quälen sich statt der Profis wieder "Bergziegen" der Buslinie 48 den Waseberg hinauf. Alltag in Blankenese.