Trainer Jürgen Klinsmann hat kämpferisch auf die Diskussionen um seine Zukunft reagiert, den Weg der Erneuerung verteidigt und die Spieler zugleich zu mehr Eigenverantwortung aufgefordert.

Barcelona/München. Jürgen Klinsmann kam mit Visionen - doch längst muss sich der 44-Jährige bei Bayern München mit der harten Realität auseinandersetzen. Vor dem Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League beim FC Barcelona am Mittwochabend hat Präsident Franz Beckenbauer bereits eine Diskussion um die Zukunft des Trainers angestoßen und damit auch innerhalb der Führungsriege des deutschen Fußball-Meisters für einige Unruhe gesorgt.

Klinsmann zeigte sich in Barcelona davon unbeeindruckt. Längst hat der ehemalige Bundestrainer aber begriffen, dass es trotz eines Vertrags bis 2010 in den kommenden Wochen auch um seinen Job bei den Bayern geht. Er wisse sehr wohl, dass er und sein Stab "in Frage gestellt werden, wenn wir nicht gleich im Jahr eins Erfolge erreichen", sagte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Aufgeben will Klinsmann trotz einiger Probleme aber nicht. Er fühle sich mit seiner Familie wohl, "und ich habe noch eine gewaltige Energie in mir, das Ding hier durchzuziehen, beruflich und familiär".

Die Frage wird sein, ob die Bayern-Verantwortlichen Klinsmann auch in der kommenden Saison das Vertrauen schenken werden. Dies hängt sicher stark vom sportlichen Erfolg ab, wie Beckenbauer bereits einräumte. Sollte der FC Bayern nicht deutscher Meister werden und zudem in der Champions League scheitern, wäre es eine "bedauerliche Saison", äußerte der "Kaiser". Man werde nach der Saison eine Analyse treffen und dann "möglicherweise reagieren".

Diese Aussage rief zwar Manager Uli Hoeneß auf den Plan, der Beckenbauer sogar rüffelte ("Manchmal weiß ich nicht, ob Franz noch nahe genug dran ist"). Doch selbst Klinsmann weiß, dass die von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ausgesprochene Jobgarantie bis 2010 bei anhaltender Erfolgslosigkeit nur bedingt Gültigkeit hat. Klinsmann selbst nennt dies "Ergebnisdruck".

Allerdings hofft der ehemalige Bundestrainer nach wie darauf, sein Projekt fortsetzen zu dürfen. "Der Verein darf doch jetzt nicht, nur weil es schwierig wird, wieder einen Schritt zurückschauen und nur sehen, wie er nächstes Jahr wieder deutscher Meister wird", sagte Klinsmann und bezeichnete den FC Bayern als "Verein der Extreme", der gerade eine "Saison der Extreme" erlebe.

Für Klinsmann gibt es ohnehin keine Alternative zu dem von ihm eingeschlagenen Weg der Erneuerung. Der deutsche Rekordmeister, der sich derzeit in einem Umbruch befinde, müsse sich langfristig an Vereinen wie Barcelona oder Manchester United und "an dem orientieren, was jetzt gerade hier passiert. In diesem Jahr. Wir haben etwas angestoßen, das ich sehr gerne weiterführen möchte."

Schon am Wochenende machte Klinsmann deutlich, dass er dafür auch bereit ist, gewisse Prinzipien über Bord zu werfen. Nach dem 1: 5 in Wolfsburg kritisierte er erstmals öffentlich seine Spieler und gab den Druck an die Mannschaft weiter. Der Weltmeister von 1990 bemängelte nach dem Double der Vorsaisen eine "gewisse Sattheit", die sich in den nationalen Wettbewerben niederschlage.

Deshalb forderte er die Spieler auch vor dem Schlager in Barcelona noch einmal eindringlich auf, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen: "Es kann nur funktionieren, wenn der Spieler lernt, mit der Verantwortung umzugehen, die ich ihm übergeben habe. Und nicht in einem Ligaspiel gegen Frankfurt 80 oder 90 Prozent zu geben und in einem Champions-League-Spiel, das weltweit übertragen wird, 100 Prozent."