“Oh wie schön ist Panama“, so schreibt es der große Kinderbuch-Autor Janosch in einem seiner Werke. Dietmar Poszwa kann diesem Titel nicht...

Hamburg. "Oh wie schön ist Panama", so schreibt es der große Kinderbuch-Autor Janosch in einem seiner Werke. Dietmar Poszwa kann diesem Titel nicht uneingeschränkt zustimmen, denn die Reisen, die ihn in seiner Eigenschaft als Mitglied der Geschäftsführung des Hamburger Profiboxstalls Universum regelmäßig in das mittelamerikanische Land führen, sind nicht immer von Erfolg gekrönt. Vor wenigen Wochen musste Poszwa wieder die Erfahrung machen, dass sein Besuch am Hauptsitz des Weltverbandes WBA nicht die nötige Klarheit brachte.

Am Sonnabend (22 Uhr, ZDF live) kämpft der Usbeke Ruslan Chagaev (30) auf der UniversumGala in Rostock gegen Carl Davis Drumond (33) aus Costa Rica. Chagaev war im April 2007 mit einem Punktsieg gegen den russischen Riesen Nikolaj Valuev Schwergewichts-Weltmeister nach Version der WBA geworden. Zwei Wochen vor dem für 5. Juli 2008 geplanten Rematch riss sich der 30-Jährige die Achillessehne und konnte zum Rückkampf nicht antreten.

Wilde Verschwörungstheorien über den Zustand Chagaevs machten die Runde, Valuevs Berliner Promoter Sauerland Event versuchte mit allen Mitteln, Chagaev den Titel aberkennen zu lassen. In diesem Wirrwarr machte die WBA den entscheidenden Fehler. Anstelle einer klaren Entscheidung erklärte sie den Titel zwar für vakant, Chagaev aber gleichzeitig zum "Weltmeister im Wartestand", der nach seiner Gesundung gegen den amtierenden Champion antreten dürfe. Valuev boxte im August gegen John Ruiz um den vakanten Titel, siegte und verteidigte seinen Status kurz vor Weihnachten gegen US-Altmeister Evander Holyfield.

Seit Monaten nun ringen beide Parteien, Universum und Sauerland, hinter den Kulissen nun darum, wer der wahre Weltmeister ist und wer der Herausforderer. Universum sieht in Valuev einen Interims-Weltmeister, Sauerland versuchte zu verhindern, dass Chagaevs Duell mit Drumond als WM-Kampf geführt werden darf. Da Poszwa zwar mit einer mündlichen Erlaubnis von WBA-Präsident Gilberto Mendoza aus Panama zurückkehrte, eine schriftliche Stellungnahme des Weltverbandes bis zur Drucklegung dieser Ausgabe jedoch nicht vorlag, bleibt das von der WBA selbstverschuldete Rätselraten groß und der Schaden für den Boxsport hoch. Dass es überhaupt vier WM-Titel pro Gewichtsklasse gibt, stößt manchem Fan schon sauer auf; dass ein Verband auf zwei Champions besteht, ist dem Zuschauer nicht mehr zu verkaufen.

Fragt man Chagaev nach seiner Meinung über das Chaos, verdreht er nur die Augen. "Ich kann die WBA nicht verstehen", sagt er, "ich habe meinen Titel nicht verloren, Valuev hat mich nicht besiegt. Also ist die Sache klar." Der zweifache Familienvater hat allerdings auch andere Sorgen. Mehr als ein Jahr stand er nicht im Ring, der letzte Kampf im Januar 2008 gegen den Briten Matt Skelton war schwach, die ersten Sparringseinheiten nach der schweren Achillessehnenblessur ernüchternd. Zwar sagt Chagaev, er habe die Verletzung "vergessen wie ein Kind", unterbewusst steuerte er seine Bewegungen jedoch nach dem "Vermeidungsschema". Das verletzte linke Bein belastete er nicht wie gewohnt, stand deshalb oft falsch und brachte nicht die gewohnte Power und Präzision in die Schläge.

"Am Anfang war das ziemlich unrund, aber in den letzten Einheiten hat er sich nach und nach gesteigert", sagt Trainer Michael Timm, der erst nach dem Kampf mit dem in 26 Kämpfen unbesiegten Drumond einschätzen kann, ob sein Schützling schon wieder auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit ist.

Chagaev selbst sagt das, was Boxer immer sagen, wenn sie nach einer langen Pause ihr Comeback geben. Dass der Körper sich erholt habe, dass er durch die lange Zeit des Wartens große Motivation geschöpft habe, und dass er eine neue Seite im Buch seines Lebens aufschlagen wolle. Vor allem aber sagt er, dass sein Ziel weiterhin bleibe, alle WM-Titel zu vereinigen und "der Welt zu zeigen, dass ich der Beste bin." Was er nicht sagt, aber natürlich im Kopf hat, ist das Rematch gegen Valuev. Er will diesen Kampf wie keinen anderen, weil er allen Zweiflern beweisen möchte, dass er den 2,13Meter-Hünen auch ein zweites Mal vorführen kann.

"Ich denke jetzt nur an Drumond", sagt er zwar, aber man spürt, dass es nicht so ist. Und darin liegt die Gefahr, denn eine Niederlage am Sonnabend, und alle Diskussionen über Sinn und Unsinn der wirren Politik der WBA wären hinfällig, weil Valuev dann gegen Drumond um den Titel kämpfen dürfte. Chagaev wäre wieder dort, wo er in den vergangenen Monaten war im Wartestand. Und Dietmar Poszwas Reise hätte sich wirklich nicht gelohnt.