Er war nie ein Freund des Überschwanges. Doch wer in diesen Tagen mit Ruslan Chagaev spricht, der kann aus den leise hervorgepressten Sätzen die Niedergeschlagenheit heraushören, die den WBA-Boxweltmeister im Schwergewicht seit vergangenen Donnerstag gefangen hält.

Straubing/Hamburg. Er war nie ein Freund des Überschwanges. Doch wer in diesen Tagen mit Ruslan Chagaev spricht, der kann aus den leise hervorgepressten Sätzen die Niedergeschlagenheit heraushören, die den WBA-Boxweltmeister im Schwergewicht seit vergangenen Donnerstag gefangen hält. Im letzten Sparring vor seinem für Sonnabend geplanten Revanchekampf gegen den russischen Riesen Nikolai Valuev hatte sich der 29 Jahre alte Usbeke im Hamburger Universum-Gym die Achillessehne im linken Fuß gerissen. Am Sonnabend bereits war er in Straubing von Tomas Buchhorn, dem Orthopäden der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, operiert worden. Gestern wurde Chagaev ins Rehazentrum von DFB-Physiotherapeut Klaus Eder nach Donaustauf verlegt.

Der Moment der Diagnose sei "ein Riesenschock" gewesen. "Ich dachte, mit ein paar schmerzstillenden Spritzen wäre das alles kein Problem", erinnert sich der Sportler, der hemmungslos weinte, als ihm die Ausfallzeit - mindestens sechs Monate - genannt wurde. "Ich konnte danach nicht schlafen. Einerseits wegen der Schmerzen, andererseits aber auch, weil ich mir Sorgen um die Zukunft gemacht habe." Seit der OP steht jedoch fest, dass ein Karriereende nicht bevorsteht. Mit einem Spezialschuh konnte Chagaev schon gestern an Krücken zehn Meter gehen. An seiner Seite Ehefrau Viktoria, die Söhne Artur (4) und Alan (neun Monate) werden in Hamburg von der Schwiegermutter betreut. In Donaustauf soll der Usbeke eine Woche bleiben, danach seine Reha in Hamburg fortsetzen.

Für Chagaev ist der neuerliche Rückschlag der negative Höhepunkt einer Kette von körperlichen Problemen, die seit seinem Titelgewinn am 14. April des vergangenen Jahres, als er Valuev in Stuttgart nach Punkten bezwang, aufgetreten sind. Zunächst fiel er im Sommer mit einer rätselhaften Viruserkrankung aus. Seiner bislang einzigen (freiwilligen) Titelverteidigung am 19. Januar gegen den Briten Matt Skelton folgte im April eine fiebrige Grippe, die zur ersten Verlegung des für Ende April geplanten Rematches mit Valuev führte. Zwischendurch sorgte Exmanager Taymas Niasov mit einer gezielt lancierten Falschmeldung - Chagaev sei auf einem Auge blind - für Verwirrung. Ob diese Verkettung physischer Probleme nur Pech oder doch Resultat zu hoher Belastung ist, will Chagaev nicht beurteilen. "Gott allein weiß, warum mir das alles passiert", sagt der gläubige Moslem, der bislang "nie an den Beinen verletzt" war.

Neben der seelischen Pein droht dem 29-Jährigen jedoch auch sportliches Ungemach. Valuevs Promoter Wilfried Sauerland will beim Weltverband WBA erwirken, dass Chagaev seinen Gürtel abgeben muss und Valuev gegen John Ruiz (USA) um den vakanten Titel kämpfen darf. Grund: Für eine Pflichtverteidigung hat der Weltmeister eine Frist von zwölf Monaten zu beachten. Im Fall Chagaev wären es bei optimalem Heilungsverlauf fast zwei Jahre bis zum Rematch mit Pflichtherausforderer Valuev. Morgen (16 Uhr MEZ) findet in Buenos Aires eine Anhörung statt, auf der Dietmar Poszwa (Universum) und Sauerlands Chris Meyer ihre Sicht der Dinge vortragen. Chagaev ist diese Diskussion völlig egal: "Ich muss gesund werden. Das ist alles, was zählt."