Haas scheiterte als Letzter der 20 Deutschen bei den Australian Open. Beckers Analyse klammert eigene Fehler jedoch aus.

Melbourne/Hamburg. Die Aufenthaltsgenehmigung der deutschen Tennisspieler bei den Australian Open ist nach einer Woche abgelaufen. Mit dem gebürtigen Hamburger Tommy Haas, der 4:6, 2:6, 2:6 gegen den spanischen Weltranglistenersten Rafael Nadal verlor, schied der letzte Deutsche in der dritten Runde aus. Am vergangenen Montag waren elf Herren und neun Damen in Melbourne angetreten. "Das ist nicht zufriedenstellend", meinte Daviscup-Teamchef Patrik Kühnen höflich.

Ganz andere Töne schlug Boris Becker an. Der dreimalige Wimbledonsieger holte in der "Bild am Sonntag" zu einem Rundumschlag aus. Die aktuellen Profis, der Nachwuchs und besonders der Deutsche Tennisbund (DTB) bekamen dabei ihr Fett weg. "Viel schlechter stand unser Tennis in seiner Geschichte wohl nie da", sagte Becker, "wir befinden uns in einer Dürrezeit."

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Becker warf dem DTB zahlreiche Fehler vor. "Mir fehlt eine klare Handschrift im sportlichen wie im politischen Bereich des DTB", sagte der 41-Jährige, der zuletzt vor allem mit seinem Privatleben und als Poker-Animateur Aufmerksamkeit erregte. Nun beklagt er, dass seine Hilfe beim DTB nicht mehr gewollt wurde: "Ich habe das Junior Team gegründet und war Chairman am Rothenbaum, aber man hat mich jeweils fast mit Füßen rausgetreten." Die Fehler der Verbandsführung hätten dazu geführt, dass die German Open der Damen in Berlin verkauft wurden und Hamburg seinen Masters-Status verloren habe: "Die beiden größten Turniere, bei den Herren der Rothenbaum und bei den Damen Berlin, hat man an die Katarer verkauft. Auf der anderen Seite gab es die Investoren Cleven, Kamps und Becker, die das Rothenbaum-Turnier einst gerettet haben und die ganz andere Pläne im Sinne des deutschen Tennis gehabt hätten."

Becker und seine Partner hatten 2003 mit einer Zahlung von 1,5 Millionen Euro das Turnier in Hamburg kurzfristig gerettet und sich dafür die Werberechte übertragen lassen. Als ihre Sponsorensuche weitgehend erfolglos blieb, ließen sie 2004 ihre Option auf ein weiteres finanzielles Engagement am Rothenbaum verfallen. Becker agierte anschließend zwei Jahre mehr oder weniger lustlos als Chairman. Weil aus der Wirtschaft kaum Hilfe kam, verkaufte DTB-Präsident Georg von Waldenfels 2005 dem Tennisverband von Katar Anteile an den Turnierrechten. Dadurch konnte die drohende Insolvenz abgewehrt werden. "Ich schätze Boris Becker sehr", sagte von Waldenfels dem Abendblatt, "daher werde ich über die Öffentlichkeit keine Diskussion mit ihm führen. Wenn er Ideen hat, die dem deutschen Tennis nützen, würde ich sie gern mit ihm unter vier Augen erörtern." So hört sich Unverständnis an - wenn auch diplomatisch formuliert.

An der von ihm kritisierten Nachwuchsarbeit war Becker ebenfalls beteiligt. Sein 1997 mit Mercedes-Unterstützung gegründetes Talentteam, das zunächst Jugendarbeit am Verband vorbei leistete, hatte keinen großen Erfolg. 2002 wurde das Mercedes-Geld dann in die Verbands-Nachwuchsarbeit integriert, Becker erhielt eine beratende Funktion. Um so erstaunlicher ist es, dass Becker nun diesen Nachwuchs tadelt, an dessen Ausbildung er zumindest mitgewirkt hat: "Was mir aber Sorgen macht, ist der Nachwuchsbereich, es gibt keinen 19- oder 20-jährigen, den ich in letzter Zeit auf dem Centre Court in Wimbledon, bei den US Open oder den Australian Open gesehen habe."