Wie ein Fossil aus sozialistischer Vergangenheit ragt das Interhotel Labe (Elbe) in Pardubices Innenstadt empor ...

Pardubice. Vom 13. Stock des trostlosen Ostblock-Kastens ergibt sich ein erstklassiger Blick über den Kontrast im heutigen Tschechien: hier modernste Hochhäuser mit exquisiten Einkaufspassagen, dort graue Plattenbauten. Knapp 100 000 Einwohner leben in der drittgrößten Stadt am tschechischen Elblauf: Automobilzulieferer, chemische Industrie, Raffinerien, der Produzent des Sprengstoffs Semtex. Im Hintergrund ist die Elbe zu sehen, eingebettet in Parks und Wiesen. In Pardubice, auf Deutsch Pardubitz, erreicht sie ihren südlichsten Punkt, macht einen großen Bogen - und führt dann nordwestlich Richtung polnische Grenze zur Quelle.

Nichts wie raus aus dem Interhotel und auf zum Markt im Herzen der Altstadt! Der Weg führt vorbei an hübsch restaurierten Fassaden, gläsernen Bankgebäuden und vielerlei Geschäften, darunter Deichmann und Tchibo. Durch das Grüne Tor wird der Pernsteinplatz erreicht. Stolze Bürgerhäuser, das imposante Rathaus und eine reich verzierte Mariensäule locken Touristen in Scharen an. Nach der Zerstörung Pardubices im Dreißigjährigen Krieg haben italienische Baumeister der Renaissance vortreffliche Arbeit geleistet.

Die Terrassen der Cafés und Restaurants auf dem Kopfsteinpflaster sind bestens besucht. Einen Backkäse und einen Videnska Kava (Wiener Kaffee mit Schlagsahne), dann geht's durch den Schlosspark zum Fluss. Barkassen bieten Ausflüge die Labe entlang, Liebespaare turteln, auf Bänken betrachten Lebenskünstler den Strom. Nicht anders als in Oevelgönne eigentlich, nur dass die Elbe hier schmaler ist.

Überall wehen Flaggen mit dem Wahrzeichen der Stadt, einem halben Pferd. Der Sage nach, so weiß die nette Dame im Informationszentrum, habe einst ein Ritter nach einer Schlacht den verbliebenen Rest seines Schimmels auf den Schultern heimgeschleppt und sei für diese Leistung vom König reich belohnt worden. Ohnehin ist Pardubice, erläutert sie, berühmt für Pfefferkuchen und Pferde. Tausende dieser Tiere leben in der Region, namhafte Gestüte, Europas größtes Pferdemuseum und viele Reitvereine sind hier zu Hause.

"Fahren Sie doch zur Rennbahn", rät die Frau. Gesagt, getan. Auf dem Programm steht eine Qualifikation für die Velka Pardubická Mitte Oktober, das ob seiner zahlreichen Stürze berüchtigtste Hindernisrennen Europas. Tierschützer auch aus Österreich und Deutschland protestieren "immer schon" gegen das publikumswirksame Spektakel, erklärt der Taxifahrer. Doch stehe das 1874 etablierte Großereignis über 6900 Meter und 31 Hindernisse bei den turfbegeisterten Tschechen traditionell hoch im Kurs.

Auf einer Tafel neben der vierstöckigen Tribüne sind die Namen der siegreichen Heroen verewigt. Dreimal ist Korok eingraviert. Jockey: Václav Chaloupka, heute 61 Jahre alt und als namhafter Trainer aktiv. Vor allem sein Triumph 1969 ist unvergessen: Ein Jahr nach dem Einmarsch der Sowjetunion, als das große Rennen abgesagt wurde, vollbrachte der als Jährling eigentlich für den Schlachthof vorgesehenen Korok das Kunststück, den favorisierten russischen Galoppern die Hufe zu zeigen.

Chaloupka ist rasch ausfindig gemacht. "Hamburg, wie schön!", sagt Václav zur Begrüßung. Dort habe er vor fünf Jahren als Teilnehmer der Bowling-WM eine wunderbare Woche verbracht - inklusive Besuch des Derbys in Horn und viel guten Biers in einem Lokal direkt an der Elbe. "Dieser Fluss schafft Verbindungen", meint Chaloupka. "Ihr lebt da oben, wir hier unten, und dennoch sind wir uns nahe."

Morgen: Vrchlabi - wo die Elbe schon ganz schön strömt.