Am 25. April 1945 gaben sich in der kleinen Renaissancestadt amerikanische und russische Soldaten die Hände.

Torgau. Die beiden Denkmäler am Elberadweg bei Torgau verweisen auf die historische Bedeutung der kleinen Renaissancestadt: Am 25. April 1945 gaben sich hier amerikanische und russische Soldaten die Hände - auf den Trümmern einer zerstörten Brücke. Dass Torgau seitdem auf dem Weg zu früherer Blüte ist, stellen auch Rita (59) und Kaja Gerdzen (24) aus Heide in Holstein fest. Mutter und Tochter kommen aus Wittenberg angeradelt, ein bisschen platt, jedoch bester Dinge. 65 Kilometer Tagesetappe stecken in den Knochen. Beide stoppen am Denkmal, bewundern den Blick hinab auf den Strom, steuern den Marktplatz an. Im Hotel Goldener Anker, vis-à-vis des Rathauses, wird Quartier bezogen. Morgen geht's weiter gen Riesa und Meißen.

Zeit für einen kleinen Bummel durch den Ort, den Martin Luther mehr als 40-mal besuchte. Hier trank er gerne ein Bierchen, hier weihte er 1544 die Kapelle, hier genoss er die Gastfreundschaft der Markgrafen, die ihn schützten und die Reformation machtpolitisch absicherten.

Johann der Beständige und sein Sohn Johann Friedrich der Gutmütige waren es auch, die das Schloss Hartenfels ausbauten. Es ist exzellent erhalten, und in einem Freigehege unterhalb der Schlossbrücke leben Braunbären. Fast immer schon. 1425 wurden in der Gegend die Ersten gefangen.

Über Kopfsteinpflaster führt der Weg vorbei an kunstvoll restaurierten Häusern: Die DDR-Führung ließ Torgau ob seiner geschichtlichen Rolle besondere Fürsorge angedeihen.

Hinter hübschen Fassaden indes verbirgt sich auch heute noch eine andere Wahrheit: Die Arbeitslosenquote von gut 20 Prozent ist erheblich geschönt. Zwar kehrte Villeroy & Boch an seine frühere Produktionsstätte zurück, doch schlossen drei Fabriken, die Hauptarbeitgeber am Ort, nach der Wende ihre Tore.

Folglich wird auf Tourismus gesetzt - besonders auf Radfahrer. Bett & Bike heißt das Schlüsselwort: Die Torgauer Hoteliers offerieren Unterkunft für eine Nacht, sichere Abstellplätze für die Zweiräder, Reparaturhilfe und Fitnesskost. In der Kleinstadt wimmelt es von Typen mit strammen Waden, neonbuntem Profidress, Designerhelm. Dialekte aus vielen deutschen Ländern sind zu hören. Angenehm, mal wieder ein norddeutsches Idiom zu vernehmen. "Moin!", ruft Rita Gerdzen. Gemeinsam mit Tochter Kaja erscheint die Berufsschullehrerin aus Heide frisch geduscht zum Abendessen auf der Terrasse. Es gibt Fisch, das passt. Beide sind ganz begeistert von ihrer spontanen Idee, die Elbe per Rad zu erkunden. Das Programm: Im Zug von Heide nach Magdeburg, von dort in acht Etappen 280 Kilometer nach Dresden. Auf geliehenen Rädern mit Siebengangschaltung, ganz suutje. "Der Service ist erstklassig!", sagt Kaja, Medizinstudentin aus Göttingen, nach einem Schluck Alsterwasser, hier Radler genannt. Rund 750 Euro pro Person kostet der Spaß.

Organisiert von Christoph Kadlubski, dessen Firma Elbe Rad Touristik in Magdeburg vom Radlerboom an der Elbe profitiert. Mehr als 85 000 Personen unternahmen im vergangenen Jahr Mehrtagestouren am Fluss; 1187 Kilometer zwischen Quelle im Riesengebirge und Mündung sind komplett befahrbar, ausgeschildert und - ganz wichtig - gut bestückt mit Pensionen und Gaststätten. "Man gewinnt ganz neue Ansichten - von der Elbe und auch sonst so", sagt Rita Gerdzen. Besonders beeindrucken Bauhaus und Meisterhäuser in Dessau, Landschaftsgärten in Wörlitz, Luthers Vergangenheit in Wittenberg, Radfahrerkirchen und eine winzige "Bedarfsfähre" in Brambach.

Morgen: Wo Familie Lehmann das Beste aus den Elbtrauben macht.