Ministerpräsident David McAllister (CDU) setzt auf den Kraft-Effekt und die SPD arbeitet am Bekanntheitsgrad des Kandidaten.

Hannover. Stephan Weil hat am Sonntag schon mal geübt. Die SPD Niedersachsen gab eine Wahlparty in Hannover, und der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat kommentierte den Sieg der Genossen in Nordrhein-Westfalen natürlich als Rückenwind für den Urnengang im eigenen Land am 20. Januar 2013. Ministerpräsident David McAllister (CDU) dagegen war an diesem Abend nicht zu erreichen. Acht Monate vor der Landtagswahl in Niedersachsen möchte er mit einem historischen Debakel wie dem Abschneiden seiner Partei im Nachbarland nicht in Verbindung gebracht werden. Und auch über die Rolle des vielleicht letzten verbliebenen Hoffnungsträgers der Partei scheint er nicht sprechen zu wollen.

Niedersachsen ist nach dem Wahlsieg der Dänen-Ampel in Schleswig-Holstein im Norden regelrecht umstellt von SPD-geführten Regierungen. Aber ganz so einfach, wie sich SPD und Grüne jetzt auch für Niedersachsen den Durchmarsch wünschen, wird es nicht funktionieren. Die Ausgangslage ist in gleich doppelter Hinsicht völlig anders. Bei der Landtagswahl 2008 hat die CDU in Niedersachsen mit 42,5 Prozent die SPD weit abgehängt, die Sozialdemokraten kassierten ihr bislang schlechtestes Ergebnis von 30,3 Prozent.

Vielleicht noch wichtiger: McAllister kann nach kaum zwei Jahren im Amt auf Bekanntheits- und Beliebtheitswerte verweisen, die vergleichbar sind mit den Daten, mit denen Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen ihren Widersacher, Bundesumweltminister Norbert Röttgen, regelrecht deklassiert hat. Und im Saarland hat McAllisters Parteifreundin Annegret Kramp-Karrenbauer bewiesen, dass das Amt Kapital ist. Sie konnte bei der Landtagswahl die Sozialdemokraten auf Abstand halten, die SPD gibt dort jetzt den Juniorpartner für die CDU-Frau.

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Und sein Gegenkandidat Stephan Weil ist als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt in der Region Hannover bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund, im großen Rest des Flächenlandes Niedersachsen aber bleiben ihm nur noch acht Monate Zeit, um immer wieder seinen Namen zu buchstabieren. Stefan Schostok, SPD-Fraktionschef im Landtag, glaubt unter dem Eindruck der NRW-Wahl, auch in Niedersachsen könne die SPD eine eigene Wählerschaft von 40 Prozent mobilisieren: "Es ist ein klares Potenzial für einen rot-grünen Wahlsieg vorhanden."

Wichtig für McAllister: Er hat die Bundespräsidenten-Affäre unbeschadet überstanden. Als sein langjähriger Förderer und Vorgänger Christian Wulff im Februar zurücktrat, war die Erleichterung bei den Christdemokraten groß: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, der immer näher herangereicht hätte an den Wahltermin 20. Januar.

Passend zur Wahl in Nordrhein-Westfalen haben sich gestern die Fraktionen der beiden Volksparteien im Landtag zu Klausurtagungen getroffen, die Sozialdemokraten freuten sich in Jesteburg im Landkreis Harburg, die CDU leckte Wunden in Bad Zwischenahn. Es gibt für beide Seiten viel zu bedenken: Anders als im Bund oder anderen Ländern klappt die Zusammenarbeit im schwarz-gelben Bündnis in Niedersachsen weitgehend reibungslos. Aber die Christdemokraten wissen auch, dass anders als in Nordrhein-Westfalen mit Christian Lindner und in Schleswig-Holstein mit Wolfgang Kubicki die Liberalen in Niedersachsen kein wirkliches Aushängeschild haben als Garantie, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen. Erklärtes Ziel von McAllister ist es deshalb, die eigene Partei so stark zu machen, dass nicht gegen die CDU regiert werden kann.

Die Dauererfolge der Piraten sind der Strohhalm der CDU, die darauf hoffen muss, dass die Neulinge in Niedersachsen SPD und Grüne die entscheidenden Stimmen für eine eigene absolute Mehrheit wegnehmen. Sollte die Linke anders als in Schleswig-Holstein und NRW den Wiedereinzug in den Landtag in Hannover schaffen, wäre sogar eine rot-rot-grüne Koalition vorstellbar.

Um neue eigene Koalitionsoptionen zu bekommen, muss McAllister jetzt pikanterweise auf den Wahlverlierer Röttgen hoffen. Wenn der als Bundesumweltminister in der Frage der Endlagersuche einen Kompromiss mit SPD und Grünen erreichen kann, wäre die schwierigste Hürde für ein schwarz-grünes Bündnis im Landtag von Hannover abgeräumt. Solange aber die Gorleben-Frage nicht geklärt ist, gibt es nicht einmal die Chance einer Annäherung.

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Vor allem aber will McAllister vermeiden, dass jetzt sein Image als kompetent-fröhlich-junger Landesvater leidet. Nichts kann er weniger gebrauchen, als in den Focus der Bundespolitik zu geraten als letzter unbeschädigter Hoffnungsträger der CDU. Natürlich mischt er hinter den Kulissen auch in der Bundespolitik bereits kräftig mit. Aber offiziell pflegt er das Image des Mannes, der die dünne Berliner Luft nicht mag. Nicht nur am Düsseldorfer Wahlabend tauchte McAllister ab, auch bei wichtigen Fragen der Landespolitik vermeidet er jeden öffentlichen Tritt ans Schienenbein der Kanzlerin - dies würde man ihm sofort als Profilierung für eigene Ambitionen auslegen. Und nicht zu vergessen: NRW-Wahlsiegerin Kraft hat auch gepunktet mit der klaren Absage an jedwede bundespolitische Ambition.