Bereits nach 18 Stunden bildeten sie Schleim und verloren ihre Farbe. Dieses Ausbleichen zeigt, dass ihre Untermieter, die Algen, verloren gegangen sind. Doch diese liefern die Energie zum Leben.

Wer seinen Urlaub an tropischen Stränden verbringt, kommt um das Einreiben der Haut mit Sonnenmilch kaum herum. Doch etliche der chemischen Filter, die menschliche Haut vor der aggressiven UV-Strahlung schützen, haben überraschende Nebenwirkungen für die Umwelt: Wenn sie beim Baden ins Meer gewaschen werden, kann das Korallenriffe schädigen. Davor warnen Roberto Danovaro von der Polytechnischen Universität im italienischen Ancona und Kollegen in der Fachzeitschrift "Environmental Health Perspectives" (Band 116, Seite 441).

Um bei ihren Experimenten kein Korallenriff zu schädigen, haben die Wissenschaftler kleine Äste von unterschiedlichen Korallenarten der Gattung Acropora in mit Meerwasser gefüllten Plastikbeuteln eingeschlossen. Diese Behälter haben sie dann in die Riffregionen vor den Küsten von Indonesien, Mexiko, Thailand und Ägypten ins Wasser gehängt. Die Korallenstücke wuchsen so bei den gleichen Temperaturen und in der gleichen Tiefe heran wie die natürlichen Riffe der jeweiligen Region.

Die Forscher konfrontierten die Testkorallen dann mit unterschiedlichen Mengen von drei handelsüblichen Sonnenöl-Marken. Sämtliche Produkte lösten selbst in winzigen Konzentrationen von zehn Millionstel Litern pro Liter Wasser drastische Reaktionen aus.

Nach 18 bis 48 Stunden produzierten die geplagten Steinkorallen jede Menge Schleim, nach vier Tagen hatten sie ihre rötlich-braune Farbe komplett verloren.

Dieses Ausbleichen aber kann nur eins bedeuten: Die Korallentierchen haben die winzigen Algen eingebüßt, mit denen sie normalerweise zusammenleben. Diese "Untermieter" sind aber für die Korallen lebensnotwendig, denn sie versorgen die Riffbaumeister mit Energie. Ein Ausbleichen der Korallenstöcke kann daher zum Absterben ganzer Riffe führen. Dabei haben die Korallenriffe, die Regenwälder der Meere, nicht nur eine große Bedeutung als Kinderstube für Hochseefische, sondern auch für eine Vielzahl von Tieren wie Würmer, Weichtiere, Schwämme, Stachelhäuter oder Krebstiere. In den vergangenen 20 Jahren haben Wissenschaftler solche Korallenbleichen weltweit immer häufiger beobachtet.

"Die wohl wichtigste Ursache ist der Klimawandel", sagt Reinhold Leinfelder, Korallenexperte und Leiter des Museums für Naturkunde in Berlin. Zahlreiche Studien haben inzwischen gezeigt, dass die festsitzenden, koloniebildenden Nesseltiere bei zu hohen Wassertemperaturen dazu neigen, ihre nützlichen Untermieter hinauszuwerfen.

"Auch andere Faktoren, die Korallen unter Stress setzen, können aber zu diesem Phänomen beitragen", so Leinfelder. Schließlich sei der Mensch ja auch besonders anfällig für Infekte, wenn sein Immunsystem gleichzeitig an mehreren Fronten zu kämpfen habe. In einer ähnliche Lage sind Korallen, wenn zu warmes Wasser gleichzeitig mit Dünger und Schadstoffen belastet ist. Oder eben mit Sonnenmilch. Tatsächlich haben die italienischen Forscher beobachtet, dass die Cremes ihr Zerstörungswerk bei hohen Wassertemperaturen besonders schnell vollenden können.

Offenbar gehen die Schäden auf das Konto bestimmter organischer UV-Filter wie Benzophenon-3 zurück. Viren, die zuvor unbemerkt in den Algen-Mitbewohnern geschlummert hatten, scheinen unter dem Einfluss der Substanzen plötzlich aktiv zu werden. Sie vermehren sich stark, bis die Algen zerplatzen und eine Viren-Flut ins Meer entlassen. Die Erreger infizieren dann neue Korallenstöcke, noch mehr Blumentiere, wie die Korallen auch genannt werden, müssen leiden.

Ob die Korallen in natürlichen Riffen ähnlich hohen Konzentrationen von Sonnenmilch ausgesetzt sind wie ihre Artgenossen in den Plastikbeuteln der Forscher, weiß gegenwärtig niemand. Schließlich werden die Chemikalien im Meer rasch verdünnt.

Da die UV-Filter aber offenbar schon in geringsten Konzentrationen einen Effekt auslösen, dürfte eine Wirkung nach Ansicht der italienischen Forscher auch im offenen Meer nicht ausbleiben. Die Wissenschaftler schätzen, dass weltweit etwa zehn Prozent der Riffe durch die zerstörerische Wirkung der Sonnenschutzmittel gefährdet sein könnten.