Den Windantrieb für die Frachtschifffahrt wieder nutzbar zu machen: Dieses Ziel gewinnt an Bedeutung. Neben herkömmlicher Segeltechnik könnte auch ein 80 Jahre altes Rotorsystem aufleben.

Weintransport mit Segelschiff - diese Kombination aus Lebenskunst und umweltschonender Transporttechnik soll in diesem Sommer Bordeaux mit Dublin (Irland) und Bristol (England) verbinden. Das Projekt der französischen "Compagnie de Transport Maritime à la Voile" (Gesellschaft für Seetransport unter Segeln, kurz CTMV) ist einer von mehreren Ansätzen, den Windantrieb wieder für die Frachtschifffahrt nutzbar zu machen. Am weitesten ist die Hamburger Firma SkySails mit ihrem Drachen als Zugpferd. Doch auch die ersten Segler stehen an der Startlinie.

"Angesichts der Endlichkeit des Öls, der Klima- und Schadstoffproblematik wird die Schifffahrt über kurz oder lang erneuerbare Energien nutzen müssen", betont Thomas Reincke von der Gesellschaft für Angewandten Umweltschutz und Sicherheit im Seeverkehr (GAUSS), Bremen. "Natürlich eignet sich der Windantrieb nicht auf allen Routen und nicht für die heutigen Geschwindigkeiten. Wir brauchen ein Umdenken, steigende Treibstoffpreise könnten dabei behilflich sein: weg von Just-in-time, von taggenauen Fahrplänen hin zur Treibstoff sparenden Routenplanung."

Die Frachtsegler der Zukunft eignen sich für Schüttgut, nicht aber für Container, betont Hartmut Schwarz. Der Kapitän im Ruhestand will segelnd Erze von Brasilien nach China verschiffen: "Brasilien ist der größte Erzexporteur, China der größte Importeur. Vom Hafen Tubaro müsste das Schiff einen südöstlichen Kurs nehmen und kommt dann in die ,Roaring Forties'. Mit den Westwinden zwischen dem 40. und 50. südlichen Breitengrad kann der Frachter, zusätzlich unterstützt durch die Oberflächenströmung, bei halbem Wind der Stärke fünf bis sechs etwa 450 Seemeilen (833 km, die Red.) pro Tag machen" - bis jenseits vom Kap der guten Hoffnung. Der sommerliche Südwestmonsun verschafft dem Schiff auf dem Weg nach Nordosten ab Singapur Schub. "Bei idealen Windverhältnissen dauert die Reise 32 Tage", so Schwarz. Der entleerte Frachter könne weiter ostwärts, also insgesamt einmal um die Welt segeln, um nach Brasilien zurückzukehren.

Während der windgetriebene Erztransport eine Zukunftsvision ist (Schwarz: "Ich bin in Verhandlungen mit einem spanischen Konsortium, allerdings fordern die Investoren ein sehr großes Schiff von 220 Meter Länge"), sind segelnde Kreuzfahrtschiffe im Einsatz. Fast 230 Passagiere kann etwa der Fünfmaster "Royal Clipper" durch die Weltmeere tragen, je 170 Personen schaffen die mit vier Masten bestückten Schwesterschiffe "Star Flyer" und "Star Clipper", knapp 100 Plätze bietet die "Sea Cloud II".

Jedoch steht bei den Fahrten der Großsegler das touristische Programm und nicht das Segeln im Vordergrund. Jürgen Müller-Cyran, der regelmäßig einen Großsegler als Kapitän steuert: "Die Fahrpläne bestimmen die Fahrt, nicht die Winde." Im Mittelmeer herrschten im Sommer "eigensinnige Windbedingungen", die dazu führten, dass nur um die zehn Prozent der Strecke gesegelt würde - den Rest besorgt die Maschine. Der Marinekapitän im Ruhestand nennt die Fahrten unter Vollzeug "kein optimales Segeln, sondern eindrucksvolle Shows".

Eine solche Gratwanderung zwischen Nostalgie und Moderne können sich Frachtschiffe nicht erlauben. Dennoch könnten hier althergebrachte Windantriebe zum Einsatz kommen. Selbst der futuristisch anmutende Flettner-Rotor ist eine Erfindung der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Damals entwickelte Anton Flettner einen rotierenden Zylinder, der ähnlich wie ein Flugzeugflügel wirkt: Auf der Vorderseite des drehenden Zylinders baut sich ein Unterdruck auf (Magnus-Effekt). Dadurch wird das Schiff vorwärts gezogen.

Die großen starren Zylinder können helfen, Treibstoff zu sparen, verstellen aber gleichzeitig einen erheblichen Teil der Ladefläche und eignen sich eher für Spezialanwendungen. Eine solche baut gerade die Kieler Lindenau-Werft im Auftrag des Auricher Windrotoren-Herstellers Enercon. Firmenchef Alois Wobben will mit dem Frachter Rotorblätter in die ganze Welt verschiffen. Vier Flettner-Zylinder mit einem Durchmesser von vier Metern und einer Höhe von 27 Metern sollen auf beiden Seiten des Bugs und Hecks das 130 Meter lange Schiff antreiben und damit 30 bis 50 Prozent Treibstoff einsparen. Werft und Auftraggeber halten sich mit Informationen zurück, doch Insider munkeln, der Stapellauf sei für Juli geplant.

Bereits bewährt haben sich die Riesen-Zugdrachen der Hamburger Firma SkySails. Gestartet in Bremen, kam der 132 Meter lange Schwergutfrachter "Beluga SkySails" im März von einer zweimonatigen Jungfernreise nach Europa (Norwegen) zurück. Der 160 Quadratmeter große Zugdrachen habe bei guten Windverhältnissen bis zu 2,5 Tonnen Treibstoff am Tag erspart, betonen die Drachenbauer. Nun soll die Segelfläche verdoppelt werden. "Die SkySails sind gut als Nachrüstelement für Frachtschiffe geeignet", betont Schiffsbauingenieur Peter Schenzle, Spezialist für Schiffs-Windantriebe. "Sie brauchen keinen Mast und ziehen direkt am Schiff, verursachen also keine Krängung."

Dagegen wird im französischen Frachtensegler "Belem", der in diesem Jahr die Weintransporte nach Großbritannien und Irland übernehmen soll, die Ware tüchtig hin- und herschaukeln - aber das mit einem noch zu schaffenden Label für "nachhaltigen Transport", vergeben vom Zertifizierer Ecocert. Vielleicht 2009 könnte ein moderner Zweimaster (Ketsch) den Dienst übernehmen. Sein Bau ist geplant: ein 47 Meter langes Stahlschiff mit Aufbauten und Masten aus Aluminium, Dieselmotor, Solar- und Windkraftanlagen zur Produktion des Bordstroms. Der Segler soll 140 Tonnen laden können, 75 Prozent der Tour unter Segeln laufen und die Strecke in fünf Tagen bewältigen. Er könnte der Übergang werden von der Segelschiff-Nostalgie in die Zukunft von energieeffizienten Transporten.


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