Trinkwasser ist vor allem im bevölkerungsreichen Nordosten des Landes knapp. Dennoch wird die wertvolle Ressource verschmutzt und vergeudet.

Wirtschaftlich mag China allmählich zu den Industrienationen aufschließen, beim Umgang mit Wasser ist es ein rückständiges Entwicklungsland. 320 Millionen Landbewohner haben keinen sicheren Zugang zu Trinkwasser. 20 Prozent des in den Großstädten verteilten Wassers erfüllt nicht einmal die chinesischen Mindeststandards, drei von vier Chinesen trinken gesundheitlich bedenkliches Wasser. Durch Übernutzung, Erosion und Entwaldung sind bereits 27 Prozent der Landesfläche verwüstet.

Die Megastädte Peking und Shanghai im trockenen Norden stillen ihren Durst aus dem südlich gelegenen Jangtse und dem Gelben Fluss, die per Pipelines angezapft werden. Die Olympischen Spiele verschärfen die Wassernot im Nordosten. Millionen Kubikmeter flossen bereits in Pflanzungen und künstliche Gewässer; hinzu kommt der gesteigerte Trinkwasserverbrauch durch Besucher, Athleten, Funktionäre, Journalisten.

Zu den Spielen wurden die drei größten Wasserwerke erweitert, um genug Wasser aufbereiten zu können. Von 2010 an sollen jährlich eine Milliarde Kubikmeter Jangtse-Wasser nach Peking fließen und damit ein Viertel des Bedarfs decken (zum Vergleich: mittlerer Abfluss der Elbe in die Nordsee: etwa 28 Milliarden Kubikmeter pro Jahr).

Obwohl Wasser in China von Natur aus rar ist, stinkt der Umgang mit der Ressource im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel. "Etwa zwei Drittel der Flüsse sind schwer belastet. Ihr Wasser kann selbst nachdem es gereinigt wurde nicht als Trinkwasser dienen", sagt Prof. Kin Chung Ho von der Open University of Hongkong, der sich seit 25 Jahren im Wasserschutz engagiert. In städtischer Umgebung sind sogar 90 Prozent der Flüsse stark verschmutzt. Nach Schätzungen der Umweltstiftung WWF fließen in 70 Prozent der Flüsse die Abwässer und Industrie-Einleitungen ganz oder weitgehend ungereinigt hinein. Bis zum Jahr 2010 soll zumindest die Hälfte der städtischen Abwässer durch Kläranlagen entschärft werden.

Schwermetalle sowie Pestizide und Dünger aus der Landwirtschaft machten die größten Probleme, so Ho. Unter den industriellen Einleitern sei die petrochemische Industrie der größte Verschmutzer, aber auch Werften, die Textilindustrie sowie Lackierereien und andere Beschichtungsprozesse fügten den Flüssen großen Schaden zu.

Immerhin stünden heute die Abwässer von 80 Prozent der Fabriken unter staatlicher Kontrolle, betont Ho, nur Kleinbetriebe seien ausgenommen. "Die Regierung strengt sich an", urteilt der Hongkonger Hochschullehrer, seit 2002 gebe es Umweltverträglichkeitsprüfungen für neue Industriebetriebe, und viele Altanlagen seien inzwischen ersetzt worden.

Ein ungeklärtes Problem bleibt die Landwirtschaft. Seit 1983 hat sich der chinesische Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch mehr als verdoppelt. Die Hälfte der weltweit 950 Millionen Schweine wachsen mittlerweile in China auf. Ein Großteil des Kots landet in Flüssen, ebenso Dünger von den Feldern - nach offiziellen Schätzungen stammen 92 Prozent der Stickstoffbelastung der Gewässer aus der Landwirtschaft.

Ackerbau und Viehzucht sind zudem mit einem Anteil von gut 70 Prozent der bei Weitem größte Wasserverbraucher. Dabei wird das kostbare Nass nicht einmal halb so effizient genutzt wie in entwickelten Ländern. Aber auch die Industrie vergeudet etwa zehnmal so viel Wasser wie vergleichbare Produktionszweige in entwickelten Ländern.

Die Bevölkerung gehe ebenfalls wenig sorgsam mit dem kostbaren Gut um, so Ho. Zwar gebe es Wasser seit zehn Jahren nicht mehr gratis, aber der Preis müsse steigen, damit mehr gespart wird. Ho: "Die Politik ist theoretisch gut, aber die Resultate sind enttäuschend. Der Anstieg an ökologischem Bewusstsein kann mit dem Wirtschaftswachstum nicht mithalten."

Chinas wichtigste Wasserader, der Jangtse, steht stellvertretend für das Schicksal vieler chinesischer Flüsse. Den 6300 Kilometer langen Strom (drittlängster Fluss der Welt) durchschneidet der gigantische Drei-Schluchten-Staudamm, etwa 1900 Kilometer vor seiner Mündung in den Pazifik. Das Mammutprojekt ist das berühmteste von 105 geplanten oder bereits umgesetzten großen Dammprojekten. Allein hier mussten bereits mehr als eine Million Menschen umgesiedelt werden. Ihre Zahl könnte auf fünf Millionen steigen, um das Wasserreservoir vor weiteren Verschmutzungen zu schützen.

Überall im Land halten Wasserkraftwerke das Lebenselixier zurück, sodass Anlieger unterhalb der Staumauern bei schlechtem Wassermanagement (noch mehr) unter Trockenheit zu leiden haben. Die Dämme schaden auch der Flusswasserqualität: Das Wasser fließt langsamer, dies verschärft den durch ungeklärte Abwässer hervorgerufenen Sauerstoffmangel.

Ungewiss ist das Schicksal des Baiji, des Chinesischen Flussdelfins. Er ist im Jangtse beheimatet und leidet unter der Zerstörung seines Lebensraumes, illegaler Fischerei und Kollisionen mit Schiffen. Der Baiji galt bereits als ausgestorben, im vergangenen August soll aber ein überlebendes Exemplar gesichtet worden sein. Sein Verwandter, der Weiße Delfin im Delta des Perlflusses in der südchinesischen Provinz Kanton, ist dagegen stark mit Schwermetallen belastet. "Wir brauchen mehr Untersuchungen, um sein Überleben im Perlflussdelta zu sichern", betont Dr. Alan Leung vom WWF-Büro im benachbarten Hongkong.

Mehr noch als Peking und Shanghai hängt die Sieben-Millionen-Stadt am Tropf eines chinesischen Flusses. Leung: "80 Prozent unseres Trinkwassers beziehen wir aus Südchina, vom Dongjiang-Fluss. Er ist der östlichste der drei Hauptströme des Perlflussdeltas. Früher zapfte Hongkong das Wasser über einen offenen Kanal ab. Inzwischen muss weiter flussaufwärts angesetzt werden, weil das Wasser unterhalb zu stark verschmutzt war." Richtig wohl ist Leung nicht, wenn er an die Zukunft denkt: "In Kanton wächst der Wasserverbrauch. Das ist eine Gefahr für die Versorgung Hongkongs."


Lesen Sie auf "Wissen" den letzten Teil zu Chinas Umwelt: Artenschwund für die Medizin.