Um dem Westen und Norden Europas die recht angenehmen Temperaturen zu bescheren, braucht es paradoxerweise die Kälte des Eispanzers, der Grönland bedeckt. Die kalten Winde von diesen Gletschern kühlen das Wasser des Eismeeres kräftig ab. Kaltes Wasser aber ist schwerer als warmes Wasser, sinkt in die Tiefe und biegt dort nach Süden ab, erklärt Detlef Quadfasel vom Institut für Meeresforschung der Hamburger Universität, der diese Strömungen seit vielen Jahren genau unter die Lupe nimmt.

3000 bis 5000 Meter unter dem Wasserspiegel schießen in der Tiefe des Nordatlantiks jede Sekunde 17 bis 20 Milliarden Liter Kaltwasser Richtung Äquator. Das ist rund 20mal mehr Wasser, als alle Flüsse der Erde zusammen führen. Gleichzeitig fließen aus dem Golf von Mexiko jede Sekunde 80 Milliarden Liter von der Tropensonne aufgewärmtes Wasser in den Atlantik. Ein Teil dieses Golfstromes schiebt relativ warmes Wasser an Europas Küsten vorbei bis nach Skandinavien und ersetzt praktisch das Wasser, das vorher in der Tiefe nach Süden geflossen ist. Diesen Ast des Strömungssystems nennen die Forscher Nordatlantikstrom, er liefert "Fernwärme" aus der Karibik nach Europa. Die Warmwasserheizung aber kann ausfallen, signalisieren die Klimamodelle. Denn je weniger Salz in der Nähe von Grönland im Wasser gelöst ist, umso leichter bleibt das abgekühlte Wasser; es sinkt langsamer oder gar nicht mehr in die Tiefe. Das ist in der Eiszeit und auch an deren Ende einige Male passiert, weil damals schmelzende Gletscher das Salzwasser verdünnten. Ähnliches könnte wieder passieren: Wenn der Treibhauseffekt die Temperaturen steigen läßt, verdunstet mehr Wasser in wärmeren Gefilden. Höhere Temperaturen liefern mehr Wolken und Niederschlag in das Eismeer. Regen- und Schneefälle aber verringern den Salzgehalt genauso effektiv wie schmelzendes Gletschereis und könnten so die Fernwärmeversorgung Europas behindern.