In den USA erhielt ein leukämie- krankes Kind eigenes Nabelschnurblut - zusätzlich zur Chemotherapie. Der Einsatz ist jedoch umstritten.

Zum ersten Mal ist ein an akuter Leukämie erkranktes Kind mit Stammzellen aus dem eigenen Nabelschnurblut behandelt worden. Das berichten US-Ärzte im Fachblatt "Pediatrics" (Bd. 119). Die erste erfolgreiche Transplantation von Stammzellen aus der Nabelschnur führte Eliane Gluckman vom Pariser Krankenhaus Saint-Louis 1989 bei einem sechs Jahre alten Jungen durch. Das Nabelschnurblut stammte von seiner Schwester. Seitdem wurden weltweit mindestens 4000 Patienten, für die kein passender Spender gefunden werden konnte, so behandelt.

Die Ärzte in den USA suchten gar nicht erst nach einem geeigneten Spender, sondern setzten gleich auf die körpereigenen Nabelschnur-Stammzellen des kleinen Mädchens. Sie waren von CorCell, der US-Tochter der privaten Leipziger Nabelschnurbank Vita 34, direkt nach der Geburt eingefroren worden. Sie ist eine der Firmen, die sich in Deutschland auf dieses Geschäft spezialisiert haben. Als das Kind mit drei Jahren an einer sogenannten akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) erkrankte, eine der häufigsten bösartigen Erkrankungen bei Kindern, nutzten die Ärzte diese Quelle. Denn zehn Monate nach einer ersten Chemotherapie erlitt das Kind einen Rückfall. Die Mediziner führten eine zweite Chemotherapie mit Bestrahlung durch und transplantierten zudem die eigenen Nabelschnur-Stammzellen.

Doch was in den USA und in der Leipziger Unternehmenszentrale als großer Erfolg gefeiert wird, stößt bei deutschen Transplantationsmedizinern auf Kritik. Ob diese Transplantation überhaupt entscheidend für die Heilung des heute sechs Jahre alten Kindes gewesen sei, sei nicht eindeutig bestimmbar, kommentierte die Geschäftsführerin der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (Kinderkrebskunde), Prof. Ursula Creutzig. Das Kind hätte sich nach der zweiten Chemotherapie auch ohne die zusätzliche Stammzelltherapie erholen können, wie klinische Erfahrungen zeigten. Dem widersprechen die US-Ärzte nicht.

Erfahrene Mediziner raten bei Leukämie ohnehin vom Einsatz des eigenen Nabelschnurbluts ab. "Da eine Leukämie schon früh angelegt wird, besteht immer die Gefahr, dass mit dem eigenen Nabelschnurblut erneut eine Leukämie transplantiert wird. Das Einfrieren von Nabelschnurblut als Vorsorge für das eigene Kind taugt gerade dann nicht zur Vorsorge für das eigene Kind", sagt Prof. Arnold Ganser von der Medizinischen Hochschule Hannover. Dort behandelten die Ärzte mehrfach Kinder mit dieser innovativen Therapie. Beim Deutschen Register für Stammzelltransplantation, das es seit 1998 gibt, sind bislang 43 Eingriffe, gemeldet. Die Quelle war eine der fünf öffentlichen Nabelschnurbanken. Diese verlangen, im Unterschied zu privaten Blutbanken kein Geld für die Einlagerung des Blutes; hingegen werden beispielsweise bei Vita 34 sofort 1990 Euro und ab dem zweiten Jahr 30 Euro Jahresgebühr fällig. Die Jahresgebühr entfällt, wenn gleich 2400 Euro bezahlt werden. Die Spender können dann auf ihr Nabelschnurblut zurückgreifen. Somit stehen die Vita-34-Reserven nicht, wie bei anderen Blutbanken üblich, der Allgemeinheit zur Verfügung. "Wer das anbietet, der macht das aus geschäftlichen Interessen", kommentiert Prof. Ganser. "Denn die Wahrscheinlichkeit, im Notfall einen geeigneten Spender aus einer öffentlichen Nabelschnurbank zu finden, liegt bei über 90 Prozent. Wir werben deshalb dafür, das Nabelschnurblut öffentlichen Banken zu spenden."

Was früher im Krankenhausmüll landete, gilt inzwischen als wertvoller biologischer Rohstoff. Für die Jünger der regenerativen Medizin sind Stammzellen aus Nabelschnurblut ein begehrtes Ausgangsmaterial, um eines Tages Ersatzgewebe zu züchten, Knochendefekte zu heilen oder Herzgefäße zu erneuern. Für die Transplantationsmediziner haben diese Stammzellen den Vorteil, dass die Gewebemerkmale zwischen Spender und Empfänger nicht in so hohem Maß übereinstimmen müssen wie bei Knochenmarkspenden.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe steht der Einlagerung von Nabelschnurblut zur privaten Vorsorge skeptisch gegenüber. Der Nutzen für den Eigenbedarf sei nicht hinreichend bewiesen, sagt Vorstandsmitglied Prof. Joachim Hackelöer, Chef der Abteilung für Geburtshilfe und Pränatalmedizin an der Asklepios-Klinik Barmbek. "Daran ändert auch dieser Fall in den USA nichts, da der Ausgang noch nicht gesichert ist. Bei mehreren Millionen Einlagerungen sind bisher 15 Fälle weltweit berichtet worden, bei denen Nabelschnurblut zum Eigenbedarf eingesetzt wurde."

Ein lukratives Geschäft, das zugleich den Aufbau eines umfangreichen Blutbank-Netzwerkes erschwert, das erkrankten Kinder - und in Zukunft vermehrt auch Erwachsenen - helfen könnte.

Informationen im Internet: www.mh-hannover.de/6555.98.html