Cyclassics: Auch die medizinischen Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Am Institut für Sportmedizin der Uni Hamburg wird der Milchsäuregehalt im Blut ermittelt - und daraus die optimale Belastung hergeleitet.

Mit einer Atemmaske vorm Gesicht und Elektroden am Brustkorb, die seine Herzströme registrieren, tritt Michael Althöfer in die Pedale - bis nichts mehr geht. Der 35jährige ist Mitglied des Radlerteams "Kettenfett", das für das Abendblatt bei den Vattenfall-Cyclassics an den Start geht. An diesem schwülen Sommertag unterzieht er sich im Institut für Sportmedizin und Bewegungsmedizin an der Universität Hamburg dem leistungsdiagnostischen Check, bei dem für jedes Team-Mitglied die individuelle Belastbarkeit ermittelt wird. "Dazu gehören ein Belastungs-EKG, das Blutdruckmessen bei Belastung und die leistungsdiagnostische Untersuchung auf dem Fahrradergometer, bei der die Anforderungen langsam gesteigert werden, bis die individuelle Grenze erreicht ist", erklärt Prof. Klaus-Michael Braumann. Er ist der Ärztliche Leiter des Instituts und betreut das Abendblatt-Leserteam.

"Bei der diagnostischen Untersuchung ist wichtig, daß man die Testperson bis zur Leistungsgrenze belastet", erklärt Braumann. Nur so könne man ausschließen, daß gefährliche Reaktionen auftreten, zum Beispiel sehr starker Blutdruckanstieg, Hinweise für einen Sauerstoffmangel am Herzen oder Herzrhythmusstörungen im EKG. Denn solche körperlichen Symptome machen ein weiteres Training unmöglich.

Um die individuelle Grenze zu ermitteln, wird ein Laktattest durchgeführt, das heißt, auf dem Fahrradergometer wird die Belastung in regelmäßigen Abständen gesteigert und immer wieder Blut aus dem Ohr abgenommen und der Milchsäuregehalt des Blutes gemessen. "Anhand dieser Werte erstellen wir eine Laktatkurve. Sie beruht auf der Tatsache, daß alle Muskeln bei ihrer Arbeit Milchsäure bilden, aber diese gleichzeitig wieder aus dem Blut eliminiert wird. Dadurch befinden sich auf niedrigen Belastungsstufen Laktatbildung und -abbau im Gleichgewicht. Wird die Aktivität immer weiter gesteigert, überwiegt die Laktatbildung, und die Kurve steigt steil an."

Das ist wichtig für die Ermittlung der individuellen Belastungsgrenze, der anaeroben Schwelle. "Bei Übersteigen dieser Schwelle kann der Körper das Laktat nicht mehr angemessen verwerten, es kommt zur Übersäuerung, die eine weitere körperliche Leistung innerhalb kurzer Zeit unmöglich macht. An der anaeroben Schwelle kann man 40 bis 45 Minuten mit dieser Geschwindigkeit weiterfahren, ohne zu übersäuern." Um diese Grenze schnell zu finden, wird parallel zur Laktatkurve die Herzfrequenz gemessen. "Dann kann man feststellen, bei welcher Herzfrequenz die anaerobe Schwelle erreicht wird. Der Anstieg der Pulsfrequenz kann individuell sehr unterschiedlich sein. Manche Patienten haben ihre anaerobe Schwelle bei einer Herzfrequenz von 120, andere bei 170", erklärt Braumann. Zusätzlich wird in einer Gasanalyse gemessen, wieviel Sauerstoff die Testperson in einer bestimmten Zeit einatmet und wieviel Kohlendioxid sie ausatmet. "Je mehr Sauerstoff ein Organismus aufnehmen kann, desto leistungsfähiger ist er. Deswegen kann man so gut die individuelle Fitness bestimmen. Die Menge des abgegebenen Kohlendioxids hängt auch davon ab, wieviel Laktat im Körper gebildet wird, und steigt an der anaeroben Schwelle steil an." So könne man mit verschiedenen Verfahren den optimalen Belastungsbereich bestimmen.

"Man muß also wissen, bei Pulsfrequenz X - entspricht 100 Prozent - habe ich meine anaerobe Schwelle, also sollte ich im Training nicht viel schneller fahren. Man kann sich auch, je nach Tagesform und Trainingsziel, einen Bereich zwischen 85 und 100 Prozent aussuchen. Mit 85 Prozent kann man ein bis zwei Stunden fahren, mit 70 Prozent zirka drei bis vier Stunden", erklärt Braumann.

Eine einmalige Leistungsdiagnostik reiche aber nicht aus, um einen Trainingsplan zu erstellen. Dazu seien weitere Informationen nötig, z. B. wie oft jemand Sport treibt und ob er diese Ausdauerleistung täglich erbringt. "Die individuelle Belastbarkeit kann sich nur im regelmäßigen Training zeigen." Wer bei den Cyclassics dabeisein will, sollte sechs Monate vorher mit dem Training beginnen und vor dem Rennen einen Gesundheitscheck durchführen lassen. Dieser umfaßt eine Leistungsdiagnostik, eine Ultraschalluntersuchung des Herzens, eine Blutanalyse und eine körperliche Untersuchung. Er kostet 290 Euro.