Wer lässt sich schon gern durchchecken, ohne sich krank zu fühlen? Doch viele Infarkte könnten so verhindert werden.

Die 60-Jährige wandert mit ihrem Mann in den Bergen, wie jedes Jahr. "Warum bleibst du ständig stehen?", fragt er schließlich. Seiner Frau geht es schlecht. Sie klagt plötzlich über Luftnot und schiebt das auf die Anstrengung. Aber sie hat keine Herzschmerzen und leidet nicht unter einem Druck auf die Brust.

Die Beschwerden verschwinden. Dennoch lässt sich die Frau nach ihrem Urlaub von Prof. Dr. Peter Ostendorf im Präventivzentrum des Marienkrankenhauses in Hamburg untersuchen.

Das Belastungs-EKG ergibt kein schlüssiges Resultat. Das ist bei herzkranken Frauen in jedem zweiten Fall so, wissen die Experten. Erst eine sogenannte Stressuntersuchung mit dem Kernspintomografen zeigt: Die Durchblutung der Hinterwand des Herzens ist massiv gestört. Die Versorgung der rechten Herzkranzarterie ist zu 95 Prozent eingeengt. Dadurch erhält das Herz nicht genug Blut und insbesondere bei Belastung zu wenig Sauerstoff. Durch eine kleine Gefäßstütze (Stent) wurde das verengte Gefäß vom Chefarzt Prof. Dr. Andreas van de Logo über einen Katheter geöffnet. Nun ist die Frau wieder belastungsfähig.

Dieser Fall belegt: Frauenherzen schlagen anders. Bei Herzerkrankungen sind ihre Beschwerden oft "unspezifisch", sagt Ostendorf und alleine nicht ausreichend für eine exakte Diagnose. Dabei war diese Patientin noch gewarnt. Doch Ostendorf kennt viele, die ohne irgendein Warnzeichen zur Vorsorge kommen und bei denen eine schwere Herzkranzgefäßerkrankung erst durch die Untersuchung mit dem Kernspintomografen entdeckt wird, so seine Bilanz drei Jahre nach Gründung des Präventivzentrums im Marienkrankenhaus.

Neben der weit verbreiteten Arteriosklerose der Herzkranzgefäße und Halsgefäße als Ursachen für Herzinfarkt und Hirninfarkt soll durch eine gezielte Kernspinaufnahme hier auch der plötzliche Herztod von Sportlern verhindert werden.

Als Beispiel nennt Ostendorf die angeborene Verdickung der Herzmuskulatur (Kardiomyopathie) und eine sogenannte angeborene Abgangsanomalie der Herzkranzgefäße aus der Hauptschlagader (Aorta), die unter großer Belastung durch ausgelöste Herzrhythmusstörungen die Herzpumpe außer Kraft setzen kann. Eine frühzeitige Diagnose ist gerade bei oft jungen Betroffenen deswegen so wichtig, weil bei diesen "mitten aus dem Leben Gerissenen" ein schneller Versuch der Wiederbelebung in mehr als 90 Prozent der Fälle erfolglos ist, wie eine große US-Studie gezeigt hat.

Eine Wiederbelebung ist bei ihnen überraschenderweise viel erfolgloser als bei vielen Älteren in gleicher Situation. Der Grund: Die Älteren leben meist schon länger mit einer eingeschränkten Funktion des Herzens, ihr Organismus hat sich auf die Beeinträchtigung bereits eingestellt. Unter 50 000 Sportlern bei Massen-Marathonläufen "starten bestimmt 100 bis 200 mit dem Risiko eines plötzlichen Herztodes", sagt Ostendorf. Dabei ließen sich 70 bis 80 Prozent der Ursachen des plötzlichen Herztodes bei Sportlern frühzeitig durch eine gezielte Untersuchung mit dem Kernspintomografen ausschließen, so Ostendorf.

Die Untersuchung mit dem Kernspin hält er deswegen für so bedeutend, weil dieses Gerät ohne Röntgenstrahlung arbeitet, im Gegensatz zum Computertomografen. Eine Strahlenbelastung der Patienten im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung hält der Mediziner auch für äußerst problematisch. Ein Mehrzeilen-CT (ein sogenannter 64-Zeilen-Computertomograf) hinterlässt bei den Patienten z. B. eine Lungenbelastung, die der von 500 bis 1000 konventionellen Röntgenbildern der Lunge entspricht, sagt Ostendorf. Eine Studie von 2007 geht davon aus, dass bei den Karzinomen in den Vereinigten Staaten 1,5 bis zwei Prozent durch CT-Untersuchungen verursacht sind. Die Strahlenbelastung durch die Computertomografie wird häufig unterschätzt, belegt auch eine Studie der Uni Bochum. Deshalb sei ein Kernspin vorzuziehen, auch wenn das Gerät in der Anschaffung teurer ist und die Auswertung der Bilder schwieriger sein kann. Dafür erhält der Arzt aber auch Antwort auf Fragen, die mit der CT-Untersuchung und auch einer invasiven Koronarangiografie oft nicht beantwortet werden können.

Ostendorf schildert einen aktuellen Fall: Ein 43 Jahre alter Mann kommt als Notfall abends ins Marienkrankenhaus. Er hat typische Symptome eines Herzinfarktes. In der Kernspintomografie können die Diagnostiker aber nicht die typischen Veränderungen der Muskulatur wie bei einem Herzinfarkt entdecken. Dafür stoßen sie bei der Auswertung der Aufnahmen am Computer auf "Herde innerhalb der Arbeitsmuskulatur, die sehr typisch waren".

Ostendorf: "Die Ursache war eine Myokarditis, also eine akute Entzündung des Herzmuskels." Mit dieser Gewissheit konnte die Katheteruntersuchung wegfallen. Völlige Ruhe und entzündungshemmende Medikamente ließen ihn wieder gesund werden. Eine Herzmuskelentzündung kann schnell lebensgefährlich werden, wenn sie nicht frühzeitig erkannt wird. Andererseits heilt sie bei Therapie in 95 Prozent der Fälle folgenlos aus.