Die Kontrollen sind zeitraubend. Sensoren überprüfen die Achsen in Zwei-Millimeter-Schritten.

Hochgeschwindigkeitszüge sind verwundbar: Selbst ein feiner Haarriss kann zur Katastrophe führen. So geschehen am 3. Juni 1998 in Eschede, als ein Intercity Express durch ein gebrochenes Radteil entgleiste und über 100 Menschen in den Tod riss. Nachdem in der Achse eines Neigetechnikzuges ICE-T Anfang Oktober ein millimetertiefer Riss entdeckt wurde, hat die Bahn die ganze Flotte vorübergehend aus dem Verkehr gezogen. Bei insgesamt 70 Zügen mussten die Fahrgestelle überprüft werden, das Nachsehen hatten die Fahrgäste.

Achsen und Räder sind die am stärksten belasteten Teile des Zuges. Sie müssen Stöße und Vibrationen bei Geschwindigkeiten von oft mehr als 200 Kilometern pro Stunde ungefedert abfangen, und das im Dauerbetrieb. Wie kritisch diese Bauteile sind, zeigte sich auch dieses Jahr wieder, als Anfang Juli ein ICE im Kölner Hauptbahnhof entgleiste. Ursache: eine gebrochene Achse. Als Konsequenz verlangte das Eisenbahnbundesamt häufigere Kontrollen dieser Bauteile. Alle 30 000 Streckenkilometer werden Räder und Achsen nun überprüft - diese Strecke legt ein ICE in zwanzig Tagen zurück. Dazu werden Räder und Achsen mit Ultraschall quasi durchleuchtet. Gefährliche Risse, die dazu führen könnten, dass das Teil versagt, zeichnen sich bei diesem Verfahren deutlich ab.

Die Räder des ICE sind Vollräder, sie bestehen aus einer einzigen Stahlscheibe mit einer in einem Spezialverfahren gehärteten Lauffläche. Diese sogenannten Monobloc-Räder werden in heißem Zustand auf die Achse gesteckt. Beim Abkühlen schrumpfen sie und krallen sich quasi fest, ohne verschraubt oder verschweißt zu werden, denn jede Befestigung schwächt das Rad und könnte einen Ausgangspunkt für Risse bilden. Die Komponenten des Radsatzes bestehen aus modernen Spezialstählen, die für die extremen Belastungen ausgelegt sind, die bei Hochgeschwindigkeitszügen auftreten. Trotzdem müssen besonders die Räder regelmäßig ausgetauscht werden. "Die Räder können von den Achsen abgenommen werden, damit man sie auswechseln kann, sobald die Laufflächen verschlissen sind", erklärt Christine Geißler-Schild, Sprecherin des Systemverbunds Bahn. Auch die Achsen müssten irgendwann erneuert werden. Das geschehe aber nicht in regelmäßigen Abständen, sondern hänge von den Ergebnissen der regelmäßigen Prüfung ab.

Ein elektrodynamischer Wandler erzeugt mithilfe von Magneten Ultraschall, der sich über die Oberfläche des Bauteils ausbreitet. Risse oder andere Schäden reflektieren die Wellen und erzeugen so eigene Signale. Die Räder werden mit in die Teststrecke eingebauten Sensoren überprüft, die Achsen von mobilen Geräten in Zwei-Millimeter-Schritten abgetastet. Die Prozedur ist sehr zeitraubend, sechs Achsen schaffen die Mechaniker pro Schicht - von 28. Fast einen Tag dauert die gesamte Prozedur einschließlich der Fahrt zur Werkstatt und zurück.

Auf diese Weise lassen sich gefährliche Risse finden, ihre Ursache bleibt jedoch meist unbekannt.

Was den Riss im Fahrgestell des ICE-T und den Achsbruch zu Köln verursacht hat, muss bis zum Abschluss der Untersuchungen durch das Eisenbahnbundesamt im Dunkeln bleiben. Allerdings gibt es nach Angaben des Grünen-Verkehrsexperten Winfried Hermann bereits Hinweise darauf, dass die Belastungen der ICE-Achsen höher seien als von der Norm vorgesehen. Die Achsen müssten möglicherweise härter oder dicker werden. Die Bahn äußert sich dazu nicht. Sie will das Ergebnis der Untersuchungen erst abwarten.