Warum eigentlich ziehen im Winterhalbjahr so viele Tiefdruckgebiete über Mitteleuropa hinweg?

Jetzt kommen sie wieder: Ganze Stafetten von Tiefdruckgebieten machen sich im Winterhalbjahr vom Nordatlantik nach Mitteleuropa auf - deutlich mehr als in einem durchschnittlichen Sommer. Doch wie kommt das?

Der tiefere Grund dafür ist der Umstand, dass die Erde sich geneigt um die Sonne dreht. Ihre Achse steht nämlich nicht senkrecht auf der Umlaufbahn unseres Planeten. Diese bei einem Globus gut erkennbare Schiefe der Erdachse ist die eigentliche Ursache unserer Jahreszeiten.

Stünde die Erde genau senkrecht auf ihrer Umlaufbahn, würde die Sonne an jedem beliebigen Punkt des Planeten an allen 365 Tagen des Jahres zur selben Zeit auf- und wieder untergehen. Jeder Flecken der Erde bekäme so stets die gleiche Menge an Sonnenwärme ab. Winter und Sommer gäbe es nicht.

Die Erdachse ist um 23,5 Grad geneigt Um die Vorgänge im Winter besser zu verstehen, zunächst ein Blick auf die Situation im Sommer: Da die Erdachse um 23,5 Grad geneigt ist, steht die Sonne im Sommerhalbjahr deutlich höher am Himmel über Mitteleuropa und spendet auch viel mehr Wärme - mit gravierenden Folgen.

Denn so verschieben sich weltweit die wichtigsten Wetterzonen der Atmosphäre. Die Starkregen-Zone der inneren Tropen verlagert sich von der Südhalbkugel, wo sie sich während des mitteleuropäischen Winters befindet, über den Äquator hinweg nach Norden. Auch die subtropischen Hochdruckgebiete, zum Beispiel das Azorenhoch, bilden sich weiter im Norden.

Hierdurch zeigt sich im Mittelmeerraum, oft auch in höheren Breiten, jener postkartenblaue Himmel, den sich Urlauber wünschen. Und schließlich schiebt sich auch die sogenannte Frontalzone zwischen der warmen tropischen und der kälteren polaren Luftmasse weiter nach Norden.

Diese Front schwingt weit aus, wie ein schlängelnder Fluss. Ablenkende Gebirgshindernisse spielen eine ähnliche Rolle wie die "teilweise sehr unterschiedlichen Wassertemperaturen im Atlantik", sagt Monika Bär-Dauenhauer von der regionalen Vorhersage- Zentrale des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Hamburg. Beides stört den Verlauf der wetterbestimmenden Frontalzone.

An dieser kurvigen Front drängen sich die Luftmassen aus den Tropen und der Polarzone eng aneinander, Temperatur und Luftdruck ändern sich rasch. Und, so Bär-Dauenhauer, "die Natur will alles ausgleichen".

Was mit den unterschiedlich temperierten Luftmassen passiert, lässt sich auch zu Hause in der Badewanne demonstrieren, wenn man eine Kanne kaltes Wasser zum deutlich wärmeren in der Wanne gibt. Macht man das warme Wasser mit Bade- oder Wasserfarbe sichtbar und führt das Experiment aus, "wird es Verwirbelungen geben", sagt die Meteorologin. Allein schon, weil das warme Wasser leichter ist als das dichter gepackte und schwerere kalte. Hinzu kommt die Bewegungsenergie des Hineinschüttens.

Die beiden Energiequellen gibt es auch im Bereich der Frontalzone, wo warme Tropen- und kalte Polarluft aufeinandertreffen. Die Luftmassen stehen sich nicht starr gegenüber, sie sind Teil einer weltweiten Zirkulation. Deren Ursache ist das Bestreben der Atmosphäre, "den Überschuss an eingestrahlter Sonnenergie am Äquator mit dem Defizit über den Polen auszugleichen", sagt der Meteorologe Gerhard Lux von der DWD-Zentrale in Offenbach. Auch dabei kommt es zu Turbulenzen, wenn warme und kalte, also dünnere und dichtere Luft sich vermischen. Damit daraus Tiefdruckwirbel - bis hin zu Hurrikanen und Orkantiefs - werden können, wirkt sich noch ein Faktor aus: die Erddrehung. Denn zusätzlich zur globalen Luftmassen- Bewegung über mehrere Tausend Kilometer hinweg mischt auch die Erdrotation beim Entstehen von Tiefdruckgebieten mit. Sie lenkt jedes vom Äquator zum Nordpol strebende Luftpaket nach "rechts", also Osten, ab - auf der Südhalbkugel verhält es sich umgekehrt. Bewegt sich über dem Nordatlantik Luft in ein Gebiet tieferen Drucks, tut sie das nicht geradlinig, sondern wirbelt eine Zeit lang gegen den Uhrzeigersinn und spiralförmig aufs Zentrum des Tiefs zu. Die Wetterkarte im Fernsehen zeigt uns jeden Abend, was da passiert.

  • Zum Weiterlesen:
    Hans Häckel "Meteorologie", 2005 (5. Auflage), 29,90 Euro, Ulmer-Verlag, Stuttgart.