Wendax ist vor 60 Jahren in die Pleite gerutscht. Dabei waren die Modelle aus der Wendenstraße anfangs beliebter als der Borgward Hansa.

Wer oder was war Wendax? Die meisten Hamburger dürften auf diese Frage mit einem kurzen "Habe ich noch nie gehört" antworten. Doch echte Oldtimer-Fans wissen: Wendax war eine Hamburger Automobilmarke. Die Fahrzeuge sorgten früher für große Begeisterung und stellten sogar Borgward kurzfristig in den Schatten.

Im Frühjahr 1947 betrat ein Lübecker Professor die kleine Fertigungshalle des Draisinenbauers Dr. Alpers an der Wendenstraße im Stadtteil Hammerbrook. "Könnten Sie mir ein Auto bauen?", lautete die ungewöhnliche Frage an den Firmeninhaber. Adolf Alpers, der den Betrieb kurz zuvor übernommen hatte, kam dieser Kunde gerade recht. Der zweite Weltkrieg hatte viele Teile seines 160-Mann-Betriebes zerstört und das Produktionsgeschäft von Draisinen für die Reichsbahn lahmgelegt. Da Kraftfahrzeuge in den ersten Jahren nach der Kapitulation nur schwer zu bekommen waren, sah Alpers in dem Auftrag seine Chance, wieder etwas Geld zu verdienen.

Professor Möbius legte Alpers ein Paar Skizzen vor. Ein Roadster sollte es sein - mit wetterfestem Verdeck und einem 150 Kubikzentimeter großen Zweitakter ILO-Motor, der aus Motorrädern bekannt war. Als Firmenchef hatte Alpers gute Kontakte zu benachbarten Stahllieferanten. Nach sechs Monaten intensiver Arbeit und einigen Komplikationen erhielt Professor Möbius sein gewünschtes Auto - zwar mit Einrad-Antrieb, aber das sollte keine große Rolle spielen, da es immerhin verkehrstauglich war. In den 30er-Jahren stellten Alpers' Vorgänger bereits dreirädrige Transportwagen her, die in geringer Stückzahl unter dem Namen Wendax - eine Ableitung der Firmenadresse an der Wendenstraße - an Zeitungsboten verkauft wurden. Doch dann wollte Alpers auf der Hannoverschen Exportmesse 1949 mit seinem Stand auch bei Autofahrern für Begeisterung sorgen. Er überlegte sich, einen offenen Sportwagen mit abfallendem Heck, drei Scheinwerfern und einem 11 PS starken ILO-Motor zu konstruieren und diesen als Publikumsmagneten einzusetzen. Ein passender Markenname war durch die Vorgeschichte schnell gefunden, und somit sollten der Wagen und alle weiteren Fahrzeuge ein geschwungenes W auf der Motorhaube tragen.

Die Basis seines Zweisitzers, der mit Messebeginn den Namen Aero WS 700 erhielt, bestand aus einer Holzkarosserie, die mit gebogenen Blechplatten verkleidet war und somit der beliebten Pontonkarosserie ähnelte. "Die Straßenlage war schlecht, es erforderte ein überdurchschnittliches Fahrgeschick, den Wagen in der Spur zu halten", schrieb ein damaliger Tester, der das Fahrzeug vor Messebeginn fuhr. Trotz der schlechten Kritik sorgte das Auto für großes Aufsehen, da es zum Beispiel durch sein weißes Lenkrad und eine durchgehende Ledersitzbank den damaligen Zeitgeschmack der Europäer und der Amerikaner traf. Die kurze, vierwöchige Lieferzeit stellte sogar den parallel präsentierten Borgward Hansa 1500 in den Schatten und sorgte für eine unerwartete Auftragsflut. Alpers ließ sich auf der Messe von dem viertürigen Borgward Hansa inspirieren und nahm ihn als Schablone für ein weiteres Modell. Doch die schnelle Expansion sollte die Firma schon bald in den Ruin treiben. Aufgrund der hohen Produktionsauslastung durch den Aero und das ursprüngliche Draisinengeschäft entstand die viertürige Stufenheckvariante Wendax WS 750 flüchtig auf dem Papier. 25 PS und eine hydraulische Trommelbremse sollten die Limousine zum Aushängeschild des Fabrikanten machen. Der Preis war mit 5750 DM gerade kostendeckend kalkuliert.

Der WS 750 und der Aero verkauften sich in den kommenden Monaten sehr gut. Die Erlöse reichten jedoch nicht aus, um fachkundige Testfahrer einzustellen und beide Modelle auf Langstreckentauglichkeit zu untersuchen. Folglich sammelten sich die Reklamationen. Nach 3000 Kilometern musste häufig die Kupplung neu belegt werden, teilweise rissen Schweißnähte bei zu schneller Fahrweise auf, Türscharniere lösten sich während der Fahrt, und Bremspedale brachen wie Streichhölzer weg. Adolf Alpers konnte infolge der zahlreichen Reparaturen und Nachbesserungsarbeiten die vereinbarten Lieferzeiten aktueller Aufträge nicht mehr einhalten, sodass Abnehmer ihre geleisteten Anzahlungen zurückforderten.

Schnell berichtete die Fachpresse über die schlechte Verarbeitungsqualität und den Mofamotor, der zu diesem Zeitpunkt wieder in den Vordergrund der Kritik geriet. Die Produktionskosten und die Aufwendungen für die reklamierten Fahrzeuge schnellten in die Höhe, sie verzehrten jeden Gewinn in kürzester Zeit. Zu allem Überfluss verklagte der Zahnpasta-Hersteller Blendax die angeschlagene Automanufaktur auf Namensähnlichkeit.

1951, zwei Jahre nach Gründung der Wendax Fahrzeugbau GmbH, meldete Alpers Insolvenz an. Banken, die durch Kredite an dem Unternehmen beteiligt waren, sprangen ein, um wenigstens noch die florierende Draisinenproduktion zu retten. Die Tochtergesellschaft Wendax musste jedoch trotz aller Bemühungen aufgelöst werden. Wenige Fahrzeuge wurden noch fertiggestellt, bevor die Hamburger Automarke endgültig vom Markt verschwand. Die knapp 300 Mitarbeiter waren von der Pleite kaum betroffen, sie produzierten wieder Draisinen für die Bahn.

Heute ist auch von der Draisinenproduktion nichts mehr übrig geblieben. Auf dem Grundstück an der Wendenstraße steht ein mehrstöckiges Bürogebäude. "Wendax hat damals durch seine moderne Optik viele Blicke auf sich gezogen, die Motoren und die Verarbeitung der Fahrzeuge waren allerdings einfach nicht vertretbar", sagt Herbert F. Schulze. Der Oltimerbeauftragte des GTÜ aus Stuttgart verfügt über eine große Text- und Bildersammlung diverser Automobile und Marken - und ist einer der wenigen, der mit dem Namen Wendax heute noch etwas anfangen kann.