Verkehrssicherheitsrat wirbt für ESP und Co. Das Abendblatt stellt eine Auswahl der wichtigsten Helfer vor.

Dresden. Wer sind die perfekten Beifahrer? Sind es diejenigen, die einigermaßen fehlerfrei Karten lesen können, die im richtigen Moment Trinkflasche und belegte Brötchen reichen und die sich nicht mit unsachlichen Kommentaren über die Fahrweise des Steuermannes unbeliebt machen?

Wenn es nach dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) geht, sind die perfekten Beifahrer nicht denkende Menschen aus Fleisch und Blut, sondern eher Vertreter der künstlichen Intelligenz - nämlich die sogenannten Fahrerassistenzsysteme (FAS). Unter dem Namen "Bester Beifahrer" hat die Organisation - ein gemeinnütziger Verein mit mehr als 200 Mitgliedsorganisationen - nun eine Kampagne gestartet, mit der den Autofahrern die elektronischen Helfer näher gebracht werden sollen. Hintergrund: Fahrerassistenzsysteme können erheblich zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr beitragen. Doch nach Beobachtungen der Experten herrscht dringender Aufklärungsbedarf. "Viele wissen nicht, was sich hinter den sperrigen Kürzeln LCA, ESP oder ACC verbirgt, wie diese Systeme funktionieren und was sie für einen Nutzen haben", sagt Christian Kellner, Hauptgeschäftsführer des DVR. Daher würden sich viele scheuen, beim Autokauf Geld in diese Sicherheitskomponenten zu investieren.

Zum Auftakt der Kampagne hat der DVR in Zusammenarbeit mit den Herstellern eine Reihe von Systemen auf dem Dekra-Testgelände am Eurospeedway Lausitz vorgestellt. Die Fahrt in einem solchen Auto könnte in etwa so ablaufen:

Unser Fahrer, nennen wir ihn Wolfgang, ist im Außendienst tätig. Nach einem Termin im Zentrallager nahe der ehemaligen innerdeutschen Grenze will er noch bei einem Kunden vorbeifahren. Die ersten Kilometer auf der A 24 geht es zügig voran. Wolfgang stellt seine Geschwindigkeitsregelanlage auf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von Tempo 120 ein und fährt auf der rechten Spur. An seinem Navigationsgerät gibt er die Zieladresse ein. Beim Programmieren lenkt er unbewusst langsam nach rechts. Plötzlich verspürt er ein deutliches Vibrieren am rechten Oberschenkel: Der Spurverlassenswarner zeigt ihm an, dass er versehentlich auf die Trennlinie zur Standspur gefahren ist. Er steuert den Wagen wieder auf die Ideallinie.

Als er sich einem Lkw nähert, will Wolfgang überholen. Er setzt den Blinker. Doch sofort lässt er ihn wieder zurückschnellen und bleibt rechts: Der Spurwechselassistent hat ihm durch ein flackerndes Licht am linken Außenspiegel signalisiert, dass sich von hinten ein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit nähert.

Weil Wolfgang für einen Moment auf sein geplantes Überholmanöver konzentriert ist, merkt er nicht, dass der Lkw vor ihm abrupt bremst. Der Signalton des vorausschauenden Sicherheitssystems warnt ihn vor der Gefahrensituation. Sofort tritt er die bereits vom Bremsassistenten "vorgefüllte" Bremse. Doch Wolfgang ist zu schnell, um noch rechtzeitig zum Stehen zu kommen. Mit einer schnellen Lenkbewegung (die Aktivlenkung verkürzt den nötigen Einschlagwinkel) weicht er nach links aus. Um nicht in die Leitplanke zu fahren, steuert er sofort in die andere Richtung. Das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) bringt den Wagen durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder wieder in die Spur. Ohne das System wäre der Wagen gefährlich ins Schleudern geraten.

Im Feierabendverkehr füllt sich die Autobahn. Wolfgang aktiviert sein ACC-Plus-System . Automatisch hält der Wagen im Stop-and-go-Verkehr nun den gewählten Abstand von zwei Sekunden zum Vordermann - egal ob der bremst oder beschleunigt. Mittlerweile ist es langsam dunkel geworden. Als Wolfgang in einer kleinen Ortschaft auf die Landstraße einbiegt, kann er dank des Abbiegelichts gerade noch vor dem Spaziergänger bremsen, der die Fahrbahn überqueren will.

Die Landstraße schlängelt sich durch Wälder und Lichtungen. Das dynamische Kurvenlicht sorgt stets für einen gut ausgeleuchteten Fahrbahnrand. Aufgrund eines entgegenkommenden Fahrzeugs hat der Fernlichtassistent gerade die Scheinwerfer abgeblendet, als Wolfgang auf dem Bildschirm hinter dem Lenkrad einen Jogger am Straßenrand erkennt. Der Nachtsichtassistent (Night-Vision) macht es per Infrarotkamera möglich. Mit bloßem Auge kann Wolfgang den Sportler noch nicht sehen.

In der Zielstraße angekommen, aktiviert Wolfgang den Einparkassistenten . Bei langsamer Vorbeifahrt erkennt das System eine Parklücke am rechten Fahrbahnrand. Wolfgang legt den Rückwärtsgang ein, nimmt die Hände vom Lenkrad und betätigt nur noch Gas und Bremse. Wenige Sekunden später steht das Auto kerzengerade in der Parkbucht. Einigermaßen entspannt steigt Wolfgang aus.

Diese fiktive Fahrt könnte nach dem derzeitigen Stand der Technik ohne Weiteres so abgelaufen sein. Während der Testfahrten halten die Systeme, was sie versprechen. Doch bei aller Begeisterung für das technisch Mögliche gibt es angesichts immer neuer Funktionen und der damit einhergehenden Flut von Knöpfen, Blinklampen und Signaltönen auch warnende Stimmen.

"Die elektronischen Helfer dürfen die Fahrer nicht überfordern, sondern müssen eine echte Entlastung sein", fordert beispielsweise Johann Nowicki vom ADAC. Dazu gehörten auch die einfache Handhabung und verständliche Gebrauchsanweisungen. Auch müsse sichergestellt sein, dass die Fehleranfälligkeit auf ein Minimum reduziert werde. In Richtung Industrie geht der Vorwurf, dass viele Systeme derzeit einfach noch zu teuer seien. Die Hoffnung der Experten: Mit steigender Nachfrage sinken auch die Preise.

In einem weiteren Punkt herrscht ebenfalls weitgehend Konsens. Dem selbstfahrenden Auto, einer Bevormundung des Menschen durch die Elektronik, erteilen die Experten eine Absage. Letztlich müsse immer der Fahrer in der Verantwortung bleiben.

Damit steht es ihm dann glücklicherweise ja auch noch frei, sich (zusätzlich) einen Beifahrer aus Fleisch und Blut zu suchen.