Kommentar

Europa hat eine blaue Fahne mit zwölf gelben Sternen und eine Hymne. Aber Europa hat keine Verfassung. Diese Bezeichnung war manchen Euro-Skeptikern zu weitreichend. Die Rechtsgrundlage der Europäischen Union heißt deshalb künftig Reformvertrag. Mit den Vereinbarungen, die heute in der portugiesischen Hauptstadt feierlich unterzeichnet werden, hat sich die EU der jetzt 27 Mitgliedsstaaten fit gemacht für das 21. Jahrhundert.

Gleich nach dem vor sieben Jahren ausgehandelten Nizza-Vertrag war klar, dass dieser nicht als Rechtsgrundlage für eine zu vergrößernde EU taugen würde. Die dann erarbeitete Verfassung scheiterte bei Referenden in Frankreich und den Niederlanden, weil die Menschen ihre nationalen Regierungen abstrafen wollten und dabei Europa trafen. Die portugiesische Ratspräsidentschaft hat jetzt das zu Ende gebracht, was die Bundesregierung im ersten Halbjahr 2007 begonnen hatte. Insofern kann sich auch Berlin ein paar Federn an den Hut heften. Aber getreu dem deutschen Motto "Europa gelingt gemeinsam" können alle EU-Staaten stolz auf den aus zwei Teilen bestehenden Reformvertrag sein.

Mit dem neuen EU-Vertrag ist das Gerüst da, um Europa in einer globalisierten Welt transparenter, handlungsfähiger und bürgernäher zu machen. Mehr Rechte für das Europäische Parlament, größere Mitsprache der nationalen Parlamente, mehr Mehrheitsentscheidungen, eine Grundrechtecharta und die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens sind wichtige Punkte. Nun stehen für die EU wieder Sachthemen auf der Agenda: Klimaschutz, sozialer Frieden, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze, die nächste EU-Erweiterung sowie Terrorismusbekämpfung. Die Zeit der Nabelschau und Stagnation ist vorbei - jetzt muss Europa wieder Politik für die Menschen machen.