Rechtsanwalt des Jungen behauptet, 13-jährige Engländerin habe Anschuldigung zurückgenommen. Die Tat wäre auch in Deutschland strafbar.

KÖLN. Im Fall des in der Türkei inhaftierten Marco W. könnte es eine Wende geben. Wie der Anwalt des Jungen mitteilte, soll die 13-jährige Charlotte aus Manchester ihre Vorwürfe gegen den Realschüler widerrufen haben. "Meines Wissens ist diese Aussage längst widerrufen", sagte der Uelzener Rechtsanwalt Jürgen Schmidt im RTL-Magazin "Punkt 12".

Die "Bild"-Zeitung hatte Aussagen des Mädchens zitiert, die den 17-Jährigen schwer belasten. Marco W. habe sie in ihrem Hotelzimmer aufgesucht, um sich für sein Verhalten bei einem Streit in der Disco zu entschuldigen. Sie sei dann eingeschlafen. "Als ich plötzlich zu mir kam, also erwachte, da fühlte ich den Beschuldigten auf mir", zitierte das Blatt. "Ich schubste ihn weg. Dabei bemerkte ich aber eine Feuchtigkeit auf meinem Körper. Danach sind wir zum Arzt gegangen." Marco W. hatte seine Unschuld beteuert und dem Mädchen vorgeworfen, sie habe sich als 15-Jährige ausgegeben. Zudem habe sie mit ihm schlafen wollen. Wegen eines vorzeitigen Samenergusses sei es aber nicht dazu gekommen.

Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft Lüneburg ein Ermittlungsverfahren gegen Marco W. wegen sexueller Belästigung von Kindern eingeleitet. Laut Gesetz sei man dazu verpflichtet, sagte ein Behördensprecher. Das deutsche Strafrecht gilt auch für im Ausland begangene Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Sexuelle Übergriffe an Kindern im Ausland, etwa durch deutsche Sextouristen, können deshalb auch hier bestraft werden.

Paragraf 176 des Strafgesetzbuches verbietet Sex mit Kindern, also mit Mädchen oder Jungen unter 14 Jahren. Je nach Schwere des Falles droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. Für den Missbrauch ist es unerheblich, ob das Kind in die sexuellen Handlungen einwilligt. Allerdings sind sich Juristen einig, dass eine Bestrafung problematisch wird, wenn es sich, wie im Fall von Marco W. und der 13-jährigen Charlotte, um erste intime Kontakte zwischen Kindern und Jugendlichen mit geringem Altersunterschied handelt.

Strafrechtsexperten verweisen darauf, dass frühe sexuelle Erfahrungen inzwischen von der Gesellschaft allgemein akzeptiert werden. Nach einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) haben zwölf Prozent aller Mädchen und zehn Prozent aller Jungen bereits mit 14 Jahren ihre ersten sexuellen Erfahrungen gemacht.

Das türkische Justizministerium hat Marco W. in Aussicht gestellt, dass er im Fall einer Verurteilung zur Verbüßung der Strafe nach Deutschland ausgeliefert würde. Das berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu ohne Quellenangabe. Eine Auslieferung wäre möglich, wenn Marco W. dies wünsche, hieß es in dem Agenturbericht. Marco W. sitzt seit mehr als zehn Wochen in der Türkei in Haft.