Paris. Aus einer Sozialwohnung in Chalon-sur-Sane in der Bourgogne hat sich Frankreichs neue Justizministerin bis in die Regierungselite emporgearbeitet - eine ungewöhnliche französische Erfolgsgeschichte. Rachida Dati ist die große Überraschung der neuen Regierung. Die 41-jährige Tochter eines marokkanischen Arbeiters und einer algerischen Mutter, die nicht lesen und schreiben konnte, hat erreicht, was niemandem vor ihr gelungen ist.

Dati hat als erste Französin aus einer Immigrantenfamilie den Sprung in eines der wichtigsten französischen Ministerien geschafft und ist damit die Nummer 7 im französischen Protokoll. Bisher besetzten Immigrationsfranzosen nur Ministerämter, bei denen sie sich vorrangig mit dem Einwanderungsthema beschäftigten, die nannten sich dann beispielsweise "Ministerium für Chancengleichheit".

Dati ist selbst noch ganz überrascht über die Ernennung in eines der höchsten Staatsämter: "Ob man 30 Jahre Politik hinter sich hat oder ganz wenig, es ist immer ergreifend, wenn man ein wichtiges Ministerium übernimmt." Sie hat vorher als Sprecherin den neuen Präsidenten Nicolas Sarkozy in seiner Wahlkampagne unterstützt und sich dabei durch Hartnäckigkeit und diplomatisches Geschick vor allem auch in Fernsehdiskussionen ausgezeichnet.

Die unverheiratete und kinderlose Ministerin mit den dunklen kurzen Haaren stellte in ihrer ganzen Karriere ihre Energie unter Beweis. Mit 14 Jahren begann sie als Kosmetikverkäuferin, arbeitete dann als Krankenschwester, um ihr Wirtschafts- und Jurastudium zu finanzieren, und war auch schon stellvertretende Staatsanwältin.

Ein starker Wille steht hinter ihrem ungewöhnlichen Aufstieg in Frankreichs Elite. Sie ließ sich als Studentin zu einem Empfang der algerischen Botschaft einladen und lernte dort den ehemaligen Chef des Ölkonzerns Elf und späteren Justizminister Albin Chalandon kennen. Dieser verhalf ihr zu einem Praktikum bei Elf und sagte bewundernd über sie: "Sie lässt sich durch nichts aufhalten. Sie hat eine unglaubliche Energie."

Fasziniert von Nicolas Sarkozy schrieb sie ihm 2002 einen Brief und bat ihn, als seine Beraterin arbeiten zu dürfen. Sie freundete sich mit dessen Frau Cecilia an, die Dati ihrem Mann als Sprecherin empfahl.

Rachida Dati ist der beste Beweis für den Beginn einer neuen Ära in Frankreichs Politik und gleichzeitig ein ausgesprochen geschickter Schachzug des neuen Staatspräsidenten, der selbst aus einer ungarischen Einwandererfamilie stammt. Während der Vorstadtunruhen löste Sarkozy eine heftige Debatte aus. Er hatte Jugendliche in der Banlieue, in der vorwiegend Immigranten wohnen, als "Gesindel" beschimpft und hartes Durchgreifen angekündigt. Er sprach im Zusammenhang mit den Vorstadtproblemen sogar von einer notwendigen Reinigung "mit dem Kärcher".

Mit seiner Justizministerin versucht er genau diese Bevölkerungsschicht für sich zu gewinnen. Mit einer Justizministerin, die selbst aus dem nordafrikanischen Einwanderermilieu stammt, dürfte es ihm auch eher gelingen, angekündigte Rechtsreformen durchzuführen und jugendliche Straftäter ab 16 Jahren härter zu bestrafen. Dati bezeichnete sich selbst schon einmal scherzhaft als "Ministerin der urbanen Stadterneuerung mit dem Kärcher".