Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas fordert ein Referendum über einen europäischen Außenminister und eigene Finanzen für die EU.

ROM. Es war mir ein großes Bedürfnis, mir den Ort, an dem sich dieses historische Ereignis abgespielt hat, persönlich anzusehen." Bundeskanzlerin Angela Merkel wandelt dieser Tage auf historischen Spuren. Kurz vor dem 50. Jubiläum der Unterzeichnung der Römischen Verträge stattete die CDU-Politikerin der Ewigen Stadt einen Kurzbesuch ab. Unter anderem besuchte sie den römischen Kapitolsplatz und den Saal der Horatier und Curatier, wo mit Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) die Geburtsstunde der Europäischen Union (EU) vor einem halben Jahrhundert feierlich begangen wurde.

Unter anderem hatte Merkel die Gelegenheit, sich das Original der Verträge anzuschauen, die am 25. März 1957 unter anderem von Konrad Adenauer unterzeichnet wurden. Dies sei ein "sehr emotionaler Augenblick" für sie gewesen, betonte die Kanzlerin, die sich auch noch mit dem italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi traf.

Mit Prodi habe sie auch über die Zukunft der Europäischen Union, den Verfassungsprozess, das bevorstehende EU-Gipfeltreffen in Berlin und die Energiepolitik gesprochen, hieß es. "Europa gelingt gemeinsam, aber eben auch nur gemeinsam", betonte Merkel. Am Sonntag treffen sich in der Bundeshauptstadt die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten, um zur Feier der Römischen Verträge die "Berliner Erklärung" zu verabschieden. Dieser Text soll einen Rückblick auf die historischen Errungenschaften und einen Ausblick auf die Herausforderungen liefern. Außerdem sollen auch die der EU zugrunde liegenden Werte genannt werden.

Unterdessen hat ebenfalls in Rom der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, zu entschlossenem Handeln beim Thema EU-Verfassung aufgerufen. Er hoffe, dass am Ende der deutschen EU-Präsidentschaft im Juni weitgehende Einigkeit besteht, "wie es mit dem Verfassungsprozess weitergeht", sagte er gestern nach einem Gespräch mit Prodi. Der italienische Regierungschef betonte vor allem die Notwendigkeit einer gemeinsamen Energie- und Umweltpolitik. Zudem müsse sich Europa mehr als bisher "seiner Rolle bei den Menschenrechten" bewusst werden.

Der Philosoph und Sozialwissenschaftler Jürgen Habermas hat unterdessen angeregt, die Europa-Wahl 2009 mit einem Referendum über drei zukunftsweisende politische Grundsatzfragen zu verknüpfen. Die Bürger sollten darüber abstimmen, ob die Europäische Union künftig einen direkt gewählten Präsidenten, einen eigenen Außenminister und eine eigene Finanzbasis bekomme, sagte Habermas.

Er hielt den Regierungen in Europa vor, unterschiedliche Zielvorstellungen mit der EU zu verfolgen. Dies sei der tiefer liegende Grund für die Lähmung der Einigungsdynamik. Als "einzigen Ausweg" nannte Habermas ein europaweites Referendum. Die Regierungen, die ja die Herren des Verfahrens sind, müssten ihre faktische Ohnmacht erkennen und dieses einzige Mal "Demokratie wagen". Sie müssten über ihren Schatten springen und selbst mit offenem Visier um jede Stimme für oder gegen einen Ausbau der EU kämpfen.