Sichtbar gelöst und unbefangen präsentierte sich Angela Merkel am Mittelmeer.

Barcelona. Bei ihrem ersten Gipfeltreffen mit anderen Staats- und Regierungschefs in Barcelona hinterließ Deutschlands erste Bundeskanzlerin eine klare Botschaft: Sie ist angekommen, nicht nur im Kanzleramt, sondern auch in Europa. Schließlich ist sie Regierungschefin des größten EU-Staates, der in den vergangenen fünf Jahrzehnten der europäischen Einigung nicht nur als Zahlmeister Nummer eins eine herausragende Rolle spielte.

Europa bestimmt das außenpolitische Drehbuch von Merkels erster Arbeitswoche, die sie von Paris und Brüssel nach London und schließlich in die spanische Metropole führte. Und jedes Mal demonstrierte Merkel Zuversicht und Selbstbewußtsein, auch bei der Begrüßung durch den spanischen König Juan Carlos.

Dabei hätte es beim zweitägigen Treffen von insgesamt 38 Ländern aus Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten reichlich Gelegenheiten gegeben für Fehltritte. Merkels erster Termin führte sie zum spanischen Ministerpräsidenten Jose Luis Rodriguez Zapatero. Im Anschluß trat die Kanzlerin vor die Kameras und mahnte vom Gipfel ein Signal an, "daß wir aufeinander angewiesen sind". Klare Botschaft, zwar inhaltsleer, aber routiniert.

Auch nach ihrem ersten bilateralen Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan strahlte die Kanzlerin. "Die Atmosphäre war gut, die ist bei uns beiden, das darf ich sagen, immer gut." Inhaltlich stimmt das freilich nicht. Denn Merkel lehnt einen EU-Beitritt der Türkei ab, was wiederum Erdogans erklärtes Ziel ist. "Pacta sunt servanda", sagte Merkel dazu knapp. "Verträge müssen eingehalten werden" - und meinte damit den EU-Beschluß zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Ankara. Erdogan habe sie in die Türkei eingeladen, berichtete die Kanzlerin weiter, und sie habe die Einladung angenommen. Insofern glaube sie, "daß sich die Dinge gut entwickeln werden".

Im Plenum nahm die Kanzlerin in großer Runde Platz und scherzte mit dem EU-Ratsvorsitzenden und britischen Premier Tony Blair. Der, so wurde überliefert, wollte von ihr wissen, wie denn das Presseecho auf das erste Treffen der beiden in London gewesen sei. Merkel lächelte und zeigte Blair einen nach oben gerichteten Daumen. Einer aus ihrem Umfeld: "Angela Merkel versteht die europäische Psychologie. Sie wird das Achsendenken überwinden."

Ihr Vorgänger Gerhard Schröder setzte in Europa meistens auf die enge Partnerschaft mit Frankreich und vernachlässigte dabei manchmal vor allem kleinere Mitgliedsstaaten. Von einem Umdenken könnte die EU in der Tat profitieren. Dies könnte sich schon beim nächsten Gipfel am 15. und 16. Dezember zeigen, wenn die Staats- und Regierungschefs den Finanzstreit lösen wollen. Die EU-Kommission hat bereits erkennen lassen, daß sie auf Merkel als Vermittlerin setzt.

Im Anschluß an das Arbeitstreffen ging es dann zum König. Zeit, sich umzuziehen, blieb Merkel bei der engen Planung nicht mehr. So ließ sich die Kanzlerin in ihrem schlichten schwarzen Kostüm zum spanischen König chauffieren. Auf den zweiten Gipfeltag am Montag verzichtete Merkel. Noch am Sonntag abend reiste sie zurück nach Berlin und fehlte damit auch bei dem obligatorischen Gruppenfoto mit den Regierungsschefs.

Die spanischen Medien spekulierten über die Gründe von Merkels vorzeitiger Abreise und mutmaßten, die Kanzlerin habe es Zapatero verübelt, daß dieser sich im Wahlkampf für Schröder stark gemacht habe. Bestätigt wurde dies natürlich nicht. Aus ihrem Umfeld verlautete dagegen, die Kanzlerin bereite ihre Regierungserklärung vor, die sie morgen vor dem Bundestag abgeben werde.