Neue Ermittlungen wegen des umstrittenen EnBW-Rückkaufs kommen Kanzlerin Angela Merkel sehr ungelegen. CDU gerät immer stärker ins Trudeln.

Stuttgart/Berlin. Es ist ein politisches Erdbeben in Baden-Württemberg - und die Erschütterungen sind bis Berlin zu spüren. Die Landes-CDU gerät wegen der EnBW-Affäre immer mehr stärker ins Trudeln. Nach der Razzia bei Ex-Regierungschef Stefan Mappus sind nun auch seine ehemaligen Minister und heutigen CDU-Abgeordneten Willi Stächele und Helmut Rau wegen des Verdachts der Untreue ins Visier der Staatsanwälte geraten.

Die Ermittler haben den Verdacht, dass die beiden Minister mitverantwortlich dafür sind, dass der Kauf von 45 Prozent des Karlsruher Versorgers EnBW für 4,7 Milliarden Euro unzureichend vorbereitet wurde und somit das Land zu viel bezahlte. Beiden wird aber genauso wenig wie Mappus persönliche Bereicherung vorgeworfen. Nach einem Gutachten für die grün-rote Regierung hatte Mappus Ende 2010 rund 840 Millionen Euro zu viel für das Aktienpaket gezahlt. Am Mittwoch waren bereits Ermittlungen gegen Mappus und seinen damaligen Berater, den Investmentbanker Dirk Notheis eingeleitet worden. Stächele hatte Ende 2010 den Rückkauf der EnBW-Aktien erst möglich gemacht, weil er kurz vor Abschluss des Milliardendeals der Umgehung des Landtags zugestimmt hatte.

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Für die Südwest-CDU wird es immer schwerer, Mappus die gesamte Schuld für den umstrittenen Milliarden-Deal in die Schuhe zu schieben. Die Bundespartei muss gut ein Jahr vor der Bundestagswahl aufpassen, dass die Affäre nicht auch noch auf Angela Merkel und Co. abfärbt. Wie die Kanzlerin und CDU-Chefin mittlerweile zu Mappus steht, zeigt folgende Episode: Die frühere Landesumweltministerin Tanja Gönner (CDU) rückte zum 1. Juli an die Spitze der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Merkel soll Gönner, zu der sie seit Jahren einen guten Draht hat, dringend geraten haben, sich von Mappus zu distanzieren, heißt es in CDU-Kreisen. Tue sie das nicht, werde ihr das noch bei der GIZ nachhängen. Gesagt, getan: Wenige Tage vor ihrem Start gab die langjährige Mappus-Vertraute ihre "Fassungslosigkeit" über die Umstände des Rückkaufs der EnBW-Anteile zu Protokoll.

In der Berliner Parteiführung wird die Eskalation "durchaus mit Sorge" verfolgt. Bei der Affäre handele es sich um eine "sehr schwierige Situation für den Landesverband", lautet die Lesart im Konrad-Adenauer-Haus. Merkel kommt der Ärger ungelegen. Denn die einstige CDU-Bastion Baden-Württemberg ist nun schon der zweite große Landesverband in akuten Turbulenzen, nachdem es die NRW-CDU nach ihrem Wahldebakel hart durchgeschüttelt hat. Und auf die Mobilisierung der Basis, an der es wegen der Euro-Dauerkrise ohnehin rumort, wird es noch ankommen.

Für die CDU-Chefin ist die Affäre auch deshalb pikant, weil zwei ihrer engen politischen Weggefährten immer für Mappus geworben hatten: Bundesbildungsministerin Annette Schavan und Fraktionschef Volker Kauder, der auch Patenonkel von einem der beiden Mappus-Söhne ist. Die beiden hatten Merkel Ende 2009 überzeugt, dass Mappus der Richtige ist, um Günther Oettinger als Ministerpräsident zu beerben. Schavan revanchierte sich damit auch dafür, dass Mappus sie damals im harten Kampf um die Nachfolge von Erwin Teufel gegen Oettinger unterstützt hatte. Schavan riet ihren Parteifreunden nun, sie sollten "zusammenstehen"; das sei immer das Beste gewesen.

Das Problem ist aber, dass CDU-Landeschef Thomas Strobl wegen des EnBW-Deals nun in Sack und Asche geht, Mappus sich selbst aber eine reine Weste bescheinigt. Strobl war Generalsekretär unter Mappus und sieht seine Partei nun in der "größten Bewährungsprobe ihrer Geschichte". Mappus beteuert dagegen via "Bild"-Zeitung, er habe nur "zum Wohle unseres Landes" gearbeitet. Der Preis von 4,7 Milliarden Euro sei fair gewesen.

Für Ex-Finanzminister Stächele sind die Ermittlungen besonders bitter. Er war zwar die Schlüsselfigur für den EnBW-Deal, doch Mappus stellte ihn damals vor praktisch vollendete Tatsachen. Der Regierungschef teilte ihm am späten Abend des 5. Dezember 2010 mit, dass der Kaufvertrag schon am nächsten Tag unterzeichnet werde. Es fehle nur noch die Unterschrift des Ministers, damit das Land das Notbewilligungsrecht anwenden und damit den Landtag umgehen könne.

+++ Stefan Mappus verteidigt den EnBW-Deal +++

Stächele fühlt sich von Mappus erniedrigt. Vor einiger Zeit machte der 60-Jährige seinem Ärger Luft: "Es ist eine Schweinerei, die da passiert ist." In gewisser Weise hat er schon einen Teil der Suppe ausgelöffelt, die Mappus ihm und der CDU eingebrockt hat. Kurz nachdem der Staatsgerichtshof die Umgehung des Parlaments als verfassungswidrig gerügt hatte, nahm er seinen Hut als Landtagspräsident. Uli Sckerl, Grünen-Obmann im EnBW-Untersuchungsausschuss, hat denn sogar auch Mitleid mit Stächele. Wie Mappus Stächele damals zur Unterschrift gedrängt habe, sei "hart an der Grenze zur Nötigung gewesen".