Die Piratenpartei steht im Wirbel um rechtsextreme Äußerungen weiter in der Kritk. Die poltische Konkurrenz fordert eine klare Abgrenzung.

Berlin. Die Piratenpartei steht weiter in der Kritk. Ein führender Politiker der Newcomer-Partei im Berliner Abgeordnetenhaus beschädigte seine eigenen Ambitionen schwer und sorgte für Empörung, als er seine Partei mit der NSDAP verglich. So sah sich Sebastian Nerz, seines Zeichens Bundesvorsitzender der Piratenpartei, genötigt, sich vom Berliner Fraktionsgeschäftsführer Martin Delius zu distanzieren: „Die NSDAP als Vergleich heranzuziehen ist natürlich völliger Unsinn“, sagte er dem Berliner „Tagesspiegel“ (Montag). Eine Woche vor dem Bundesparteitag in Neumünster zog Delius seine Kandidatur für den Piraten-Vorstand daraufhin zurück. Zugleich entschuldigte er sich für eine „Dummheit“.

Delius hatte zunächst dem Magazin „Der Spiegel“ gesagt: „Der Aufstieg der Piratenpartei verläuft so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933.“ Später sagte er dem „Tagesspiegel“, so wie er unter dem Eindruck seiner NSDAP-Äußerung künftig wahrgenommen würde, könne er im Parteivorstand nicht mehr bewegen, was er wolle.

Der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner legte Delius in der Zeitung „B.Z.“ den Rücktritt als parlamentarischer Geschäftsführer nahe. Delius’ Position in der Berliner Fraktion scheint aber nicht in Gefahr zu sein. „Martin hat das Vertrauen der Fraktion. Er hat einen Fehler gemacht und steht dazu“, erklärte Fraktionschef Andreas Baum in einer Mitteilung. „Wir sehen keinen Grund, ihm das Vertrauen wegen eines Fehlers, den er selbst sofort eingestanden hat, zu entziehen.“

Auf Twitter sah sich Delius heftiger Kritik ausgesetzt. In seinem Blog bestätigte er, richtig zitiert worden zu sein, und bedauerte seine Äußerung. „Mir ist klar, dass dieser Vergleich, der mir selbst im Moment der Aussprache schräg vorkam, eine große Dummheit war und vollkommen ungeeignet ist, um irgendetwas zu verdeutlichen.“ Er habe zu keinem Zeitpunkt die Piratenpartei auch nur in die Nähe der NSDAP rücken wollen.

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Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte die Piraten zur Klarstellung auf, „dass mit ihren rechtsextremistischen Umtrieben nicht der Eindruck entsteht, sie fischten rechte Proteststimmen ab“. Wie könne man als halbwegs gebildeter Mensch auf die Idee kommen, einen Vergleich mit dem für die Deutschen so tragischen Aufstieg der NSDAP in der Weimarer Republik anzustellen, fragte sie bei „Spiegel Online“.

Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Thomas Oppermann, verurteilte den Vergleich ebenfalls scharf als „geschmacklos und unangemessen. Ich bin erschreckt, dass die Frage des Umgangs und der Bewertung des Rechtsextremismus in der Piratenpartei nicht geklärt zu sein scheint“, sagte er der Zeitung „Die Welt“ (Montag). Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), sagte der „Welt“: „Da müssen mehrere Kurzschlüsse im Kopf des Piratenpolitikers Delius vorhanden sein, um einen solch unsäglichen Vergleich zu ziehen.“ Man könne nicht den Erfolg der eigenen Partei mit einer schrecklichen verbrecherischen Organisation vergleichen.

„Ich möchte wissen, auf welchem Auge der Pirat seine Klappe hat“, sagte Partei-Chefin Claudia Roth in Berlin. Die Piraten sollten ihren Umgang mit internen rechten Tendenzen rechtzeitig vor den nächsten Wahlen klären. Die Vizechefin der Linken, Katja Kipping, sagte dem „Tagesspiegel“: „Wenn die Piraten hier keine klare Linie ziehen, dann müssen sie sich die Frage gefallen lassen, ob sie bewusst am rechten Rand Stimmen fangen wollen.“

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Berlins Piraten-Landeschef Hartmut Semken, der sich drastisch gegen den Ausschluss von Piraten mit rechtsradikalen Positionen gewandt hatte, verteidigte seine Haltung. „Ich werde nicht verachten lernen, deswegen werde ich selbst auf Nazis nicht mit Verachtung reagieren“, sagte er dem „Spiegel“. „Wenn ich damit ungeeignet bin, den Landesverband zu vertreten, dann haben wir tatsächlich ein Problem.“

Zugleich wurden die Stimmen lauter, die den Piraten das Fehlen inhaltlicher Ziele vorwarfen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte der „Welt am Sonntag“, bei den meisten Themen stünden die Piraten nackt an der Reling. Roth warf Parteichef Nerz in der „Bild am Sonntag“ vor: „Sie müssen doch zumindest eine Meinung äußern können, an der man sich dann auch orientieren kann.“ Nerz wies dies zurück. „Die Meinung der Piraten wird von der Basis erarbeitet und nicht vom Vorsitzenden vorgegeben.“ Es gebe in der Partei aber ein klares Bekenntnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus.

Regierungsbeteiligungen schließt die Piratenpartei nach den Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen nicht aus. „Wir sind bereit, uns der Verantwortung zu stellen“, sagte Nerz. Er warb für die Zustimmung der Delegierten für seine Bestätigung an der Parteispitze: „Ich habe mehr Erfahrung, als es meine möglichen Nachfolger hätten.“ Er sagte zugleich: „Wenn ich nicht gewählt würde, wäre es keine Katastrophe.“ (dpa/abendblatt.de)