Die Islamkonferenz verurteilte extremistische Muslime der Salafisten. Hauptthema der Sitzung bleibt Gleichberechtigung von Frauen.

Berlin. Das Thema stand gar nicht auf der Tagesordnung, aber die Islamkonferenz kam an den Aktivitäten radikaler Salafisten nicht vorbei. "Wir sind uns alle einig, dass salafistischer Extremismus nicht in unsere freie deutsche Gesellschaft passt", sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), Gastgeber der sechsten Islamkonferenz. "Radikale Salafisten sind unter Muslimen nicht mehrheitsfähig. Der Absolutheitsanspruch der Salafisten ist nicht vereinbar mit unserem Grundgesetz", sagte Friedrich. Diese Position sei von der Konferenz bekräftigt worden. Auch die muslimischen Verbände hätten sich überwiegend "sehr eindeutig" gegen den Salafismus positioniert. Das Thema bereite aber weiterhin "große Sorgen".

Vor Beginn der Islamkonferenz, in der eigentlich Geschlechtergerechtigkeit das Thema war, hatten Unions- und FDP-Politiker Druck auf Innenminister Friedrich ausgeübt, Salafismus kurzfristig auf die Tagesordnung zu setzen. Salafisten hatten am vorigen Wochenende in deutschen Städten kostenlos 300.000 Koran-Exemplare in Fußgängerzonen verteilt und mit ihrer Missionierungs-Aktion "Lies!" eine heftige Debatte ausgelöst. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte einen "Pakt gegen Salafismus" verlangt. Die auf der Islamkonferenz vertretenen Muslimverbände sollten sich an die Spitze einer bundesweiten Aufklärungskampagne über die Gefahren der Salafisten stellen. Dies sei die "Nagelprobe" in der Kooperation zwischen Staat und muslimischen Verbänden. Auch der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hatte verlangt, dem Thema Priorität einzuräumen.

Friedrich jedoch lehnte eine Änderung der Tagesordnung ab. Und erwähnte das Thema Salafismus nur am Rande. Vergangenes Jahr hatte der damals frisch berufene Innenminister Empörung bei den Muslimvertretern ausgelöst mit seinen Plänen, die Konferenz vor allem dazu zu nutzen, zwischen Staat und Muslimen eine Sicherheitspartnerschaft zu etablieren. Sie fühlten den Islam als Sicherheitsproblem reduziert. Diesmal bremste Friedrich den Eifer seiner Parteikollegen.

Lob erhielt er dafür von den Grünen. Die radikalislamischen Salafisten seien eher Thema für eine Sicherheitsrunde, sagte der integrationspolitische Sprecher der Grünen Memet Kilic: "Diese extremistische Randgruppe gehört nicht in den Vordergrund des Islam in Deutschland. Sie müssen als Sicherheitsproblem behandelt werden und nicht als Problem des Islam in unserem Land." Der Salafismus bringe Muslime in Deutschland in Misskredit, sagte der Grünen-Politiker Omid Nouripour. "Gleichberechtigung ist ein viel wichtigeres Thema und geht viel mehr Leute in Deutschland an." Die Mitglieder der Islamkonferenz gaben eine Erklärung ab, dass Gewalt und Nötigung zu einer Eheschließung schwere Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht darstellen und daher nicht toleriert werden können. Jeder habe ein Recht auf "körperliche und seelische Unversehrtheit sowie das Recht, aus eigenem Entschluss und im Rahmen der geltenden Gesetze eine Ehe einzugehen oder dies zu unterlassen". Leider würden "diese universellen Menschenrechte auch heute noch häufig missachtet".

Auch hier bemühte sich Friedrich um eine sanfte Ausdrucksweise. Zwangsverheiratung und häusliche Gewalt beruhten auf traditionalistischen patriarchalischen Strukturen in den Herkunftsländern und hätten nichts mit der Religion zu tun, sagte Friedrich. In der Erklärung der Konferenz heißt es, der Islam sei eine offene und tolerante Religion, die sich gegen physische und psychische Gewalt und Zwangsverheiratung wendet und zur individuellen Selbstbestimmung ermutigt. Die Mitglieder der Konferenz rufen daher dazu auf, Gewalt zu ächten.

"Erstmalig haben sich Muslime unterschiedlicher Herkunft und Religiosität in Deutschland gemeinsam mit staatlichen Vertretern auf einen Text verständigt, der in der Ächtung dieser Praktiken unmissverständlich ist. Die Erklärung ist somit eine wichtige Grundlage für die Eindämmung von häuslicher Gewalt und Zwangsverheiratung", sagte Friedrich. Doch auch dieser kleinste gemeinsame Nenner rief Kritiker hervor. Die Diskussion um muslimische Frauen dürfe nicht auf die Themen Zwangsheirat, Ehrenmord und Unterdrückung reduziert werden, sagte Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan (CDU). Vielfach seien muslimische Frauen in Deutschland bereits weitaus emanzipierter als gedacht. "Faktum ist, dass muslimische Mädchen und Frauen mittlerweile höhere Schulabschlüsse als muslimische Jungen und Männer aufweisen und erfolgreicher in der Ausbildung sind." Auch zeigten Studien, dass die Rollenverteilung in den Familien ganz anders sei als gemeinhin angenommen, sagte Özkan. Es dominiere in den muslimischen Familien vielfach eine partnerschaftliche Arbeitsteilung, Mädchen würden genauso gefördert wie Jungen. "Meist sind es die Frauen, die das letzte Wort bei grundlegenden familiären Entscheidungen haben." Dennoch dürften Themen wie häusliche Gewalt und Unterdrückung nicht ausgeblendet werden, sagte Özkan.

Trotz aller Bemühungen Friedrichs hält die Enttäuschung einiger muslimischer Teilnehmer der Konferenz an. Kenan Kolat, Chef der Türkischen Gemeinde, kritisierte, dass Friedrich die Ergebnisse der Konferenz alleine auf einer Pressekonferenz vorstellte und nicht - wie bisher üblich - mit den muslimischen Verbänden zusammen.