Gesine Lötzsch bekräftigte familiäre Gründe für ihren Rücktritt vom Linken-Vorsitz. Ramelow schlägt Führungsduo Wagenknecht/Bartsch vor.

Berlin. Die Co-Vositzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, ist am Dienstag überraschend von ihrem Posten zurückgetreten. Am Mittwoch bekräftigte die 50-Jährige erneut, familiäre Gründe hätten sie zu dem Schritt bewogen. Wegen der Erkrankung ihres Ehemannes habe sie bereits „in der vergangenen Woche kurzfristig mehrere Termine absagen“ müssen, sagte Lötzsch am Mittwoch in Berlin. Ihr Mann Ronald Lötzsch (Jahrgang 1931) sei wegen einer „altersbedingten Erkrankung“ am 31. März ins Krankenhaus gekommen. „Ich habe nicht vor, halbe Sachen zu machen“, sagte Lötzsch. Zugleich bedankte sie sich bei ihrem Co-Vorsitzenden Klaus Ernst für die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“. Lötzsch hatte die Partei seit 2010 geführt und trotz innerparteilicher Kritik noch vor wenigen Monaten angekündigt, auf dem Parteitag im Juni erneut für den Vorsitz zu kandidieren. Der Linkspartei steht jetzt eine Führungsdebatte ins Haus. Laut Satzung muss die Partei von einem Mann und einer Frau geführt werden.

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In diese schaltet sich nun Thüringens Linken-Fraktionsvorsitzender Bodo Ramelow ein. Ramelow schlägt das Duo Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch als neue Parteispitze vor. Beide würden thematisch gut zusammenpassen, sagte Ramelow am Mittwoch in Erfurt. Mit Gregor Gysi und Oskar Lafontaine als Spitzenkandidaten könne die Partei dann in den Bundestagswahlkampf 2013 ziehen. „Ein Duo Wagenknecht/Lafontaine an der Parteispitze halte ich für schwierig“, sagte er. Ramelow selbst schloss eine Rückkehr nach Berlin zum derzeitigen Zeitpunkt aus. „Ich will Ministerpräsident von Thüringen werden“, sagte er. Der frühere Parteichef Lafontaine hat sich noch nicht geäußert, ob er bereit ist in die Parteispitze zurückzukehren.

Klaus Ernst bedauerte den Rücktritt von Gesine Lötzsch. „Wir haben in einer schwierigen Zeit vertrauensvoll und mit gegenseitigem Respekt zusammen gearbeitet. Dafür danke ich ihr“, erklärte er am Mittwochmorgen. „Ich wünsche ihr und ihrer Familie Kraft und Gesundheit für die kommende Zeit.“ Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch, der als bisher einziger Mann eine Kandidatur für den Parteivorsitz angekündigt hat, wollte Lötzschs Schritt nicht bewerten: „Die Entscheidung von Gesine Lötzsch ist zu respektieren, nicht zu kommentieren.“

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Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, bezweifelt die persönlichen Gründe für den Rücktritt der Linke-Chefin. „Dass Frau Lötzsch von der Aufgabe der Parteivorsitzenden überfordert war, war seit langem unübersehbar. Ihr Rücktritt ist ein klares Eingeständnis ihres Scheiterns“, erklärte Knabe am Mittwoch. Zugleich begrüßte Knabe den Rücktritt. „Ich hoffe, dass die Zeit der DDR- und Kommunismusverklärung durch die Linke damit endlich ein Ende hat. Für die Opfer der SED-Diktatur war Frau Lötzsch eine Zumutung“, teilte Knabe mit. Bei der Auswahl des Nachfolgers sollte die Linke mehr Wert auf klare demokratische Überzeugungen legen, forderte der Gedenkstätten-Direktor. „Sollte Frau Wagenknecht Frau Lötzsch beerben, kommt die Partei vom Regen in die Traufe.“

Am Dienstag hatte Lötzsch erklärt, die Rücktrittsentscheidung sei ihr nicht leicht gefallen. Sie habe sich den Schritt reiflich überlegt. Die Linke-Politikerin ist seit Ende der 80er Jahre mit dem heute 80-jährigen Sprachwissenschaftler Ronald Lötzsch verheiratet. Die geborene Ost-Berlinerin war von 1984 bis 1990 Mitglied der DDR-Staatspartei SED, aus der dann die Linke-Vorläuferin PDS hervorging. Nach der Wiedervereinigung gehörte Lötzsch von 1991 bis 2002 dem Berliner Abgeordnetenhaus an. Im Oktober 2002 zog sie in den Bundestag ein.

Das Führungsduo Lötzsch/Ernst war in der Partei umstritten. Die beiden wurden von vielen für Schlappen bei den Landtagswahlen, sinkende Umfragewerte und Mitgliederschwund verantwortlich gemacht. Zahlreiche Affären kennzeichneten die zweijährige Amtszeit. So brach Lötzsch beispielsweise zum Auftakt des Superwahljahres 2011 eine Kommunismus-Debatte vom Zaun, die der Linken viel Kritik einbrachte. Es folgten Debatten über die Bewertung des DDR-Mauerbaus, die Haltung zu Israel und ein Geburtstagsschreiben an den kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro.

Ungeachtet der innerparteilichen Kritik an ihrer Amtsführung kündigte die als äußerst ehrgeizig geltende Lötzsch bereits im vergangenen Oktober an, bei der Neuwahl der Parteiführung im Juni erneut für den Vorsitz zu kandidieren. Sie wolle mit ihrer Entscheidung „Klarheit für die Mitglieder schaffen, die dieser Debatte überdrüssig sind“, begründete sie seinerzeit ihre überraschende Entscheidung. Später gab dann Bartsch seine Kandidatur für den Parteivorsitz bekannt.

Mit Material von dpa/dapd