Wulff spricht zum 70. Jahrestag der Wannseekonferenz - Bundespräsident: Lehren aus Antisemitismus der NS-Zeit ziehen

Berlin. Bundespräsident Christian Wulff hat „Scham und Zorn“ über die im vergangenen Jahr bekanntgewordene Mordserie von Neonazis geäußert. In einer Rede zum 70. Jahrstag der Wannseekonferenz sagte Wulff am Freitag in Berlin: „Wir haben es alle nicht für möglich gehalten.“ Einschließlich der Polizei und der Sicherheitsorgane „haben wir alle es auch nicht für möglich halten wollen, dass es das in unserem Land und in diesem Jahrzehnt gibt“, sagte Wulff laut Redetext bei einer Gedenkveranstaltung in der Villa am Berliner Wannsee. Wulff fügte hinzu: „Uns bewegt der Wille, die Taten aufzuklären, die Helfer und Unterstützer zu finden und vor Gericht zu stellen, die Netzwerke zu zerstören, die diesen mörderischen Wahn ermöglicht haben.“

Bei der Wannseekonferenz kamen am 20. Januar 1942 15 hochrangige Vertreter des NS-Regimes zusammen, um die Organisation des Völkermordes an den Juden zu besprechen. Das Haus ist seit 1992 als Gedenkstätte geöffnet.

Wulff sagte, der Antisemitismus des Staates damals sei genährt und gestützt worden vom Antisemitismus in der Gesellschaft. „Eine Mischung aus Neid, aus Hass, aus Unterlegenheitsgefühlen und Überlegenheitswahn, aus religiöser und rassistischer Verblendung machte diesen Antisemitismus aus.“ Spätestens am 20. Januar 1943 sei daraus ein „staatlich-bürokratisches Projekt“ geworden. Und spätestens da sei mit den Sammlungen und Transporten für jeden offenbar geworden, welches Schicksal auf die deutschen und europäischen Juden gewartet habe. „Viele in der Gesellschaft waren entsetzt, aber noch viel mehr bleiben gleichgültig, viele waren grausame Täter.“

Der Bundespräsident mahnte, gerade Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal des Nächsten erzeuge und verstärke Unglück und Leid. „Wir alle leben von der Hilfe füreinander, nicht erst, wenn es um Leben und Tod geht.“ Dies müsse eine der wichtigsten Lehren sein. „Daran müssen wir gerade in diesen Tagen schmerzlich denken, seit wir wissen, dass eine Bande von rassistischen Mördern durch unser Land gezogen ist, um Menschen mit nichtdeutscher Herkunft zu töten.“

Den Juden in der Welt versicherte das Staatsoberhaupt: „Wenn und wo jüdische Bürger verfolgt werden oder in Gefahr sind, Deutschland fühlt sich ihnen nah und verbunden.“ Die Bundesrepublik stehe zudem unverbrüchlich an der Seite Israels. (rtr/abendblatt.de)

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