„Qualifizierter Anfangsverdacht“ gegen Olaf Glaeseker – Niedersächsischer Landtag streitet über Verhalten des Bundespräsidenten

Hannover/Berlin. Paukenschlag in der Affäre um Bundespräsident Christian Wulff: Am Donnerstag durchkämmten Beamte des niedersächsischen Landeskriminalamtes das Privathaus von Wulffs ehemaligen Pressesprecher Olaf Glaeseker. Zuvor hatte die Landesregierung in Hannover zur Kreditaffäre Rede und Antwort stehen müssen. Wulffs Nachfolger im Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten, der CDU-Politiker David McAllister, hielt sich bei der mehr als vierstündigen Debatte zurück. Die Opposition sprach von einer „bizarren Verteidigungsstrategie“.

Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Hannover durchsuchten die Beamten das Haus von Glaeseker im niedersächsischen Wunstorf sowie Wohn- und Geschäftsräume des Eventmanagers Manfred Schmidt in Berlin und der Schweiz. Glaeseker und Schmidt werden Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung vorgeworfen, wie Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel mitteilte.

Aufgrund von Medienberichten und Ermittlungen bestehe der Verdacht, dass Glaeseker in den Jahren 2007 bis 2009 die Durchführung und Finanzierung des von Schmidt organisierten Nord-Süd-Dialogs „gefällig gefördert“ habe, hieß es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Als Gegenleistung habe Glaeseker mehrfach unentgeltlich Urlaube in Ferienhäusern von Schmidt gemacht.

Oberstaatsanwalt Lendeckel sprach auf dapd-Nachfrage davon, dass seine Behörde inzwischen von einem „qualifizierten Anfangsverdacht“ gegen Glaeseker ausgehe. „Das ist ein bisschen mehr als nur ein Anfangsverdacht“, erklärte er.

Glaeseker soll ab 2008 mit seiner Frau dreimal in Auslandsquartieren des Eventunternehmers Manfred Schmidt gratis Urlaub gemacht haben. Der 50-Jährige, der als enger Vertrauter von Wulff gilt, war damals Niedersachsens Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs und hätte als Landesbediensteter teure Geschenke wie einen Gratisurlaub vermutlich nicht annehmen dürfen. Wulff hatte Glaeseker am 22. Dezember ohne Angabe von Gründen entlassen.

Bei den Razzien wurde explizit nach Aufzeichnungen zum Nord-Süd-Dialog, den Urlaubsaufenthalten sowie allgemein beruflichen und privaten Verbindungen der beiden Beschuldigten miteinander gesucht. Der „Nord-Süd-Dialog“ war eine privat organisierte Veranstaltungsreihe, bei denen sich niedersächsische und baden-württembergische Unternehmen präsentieren sollten. Die Schirmherrschaft hatten Wulff und der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU) übernommen.

Niedersachsens Ministerpräsident McAllister verwies im Landtag noch einmal darauf, dass viele Fragen von der Landesregierung wegen rechtlicher Beschränkungen nicht beantwortet werden könnten. Die Landesregierung werde sich dennoch bemühen, weitere Fragen zu beantworten. „Aber erlauben Sie mir einen Hinweis: Wir haben noch viele andere Themen im Interesse des Landes und der Menschen in diesem Jahr in Niedersachsen anzupacken“, fügte er hinzu.

Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) hatte zuvor für die Landesregierung die Antworten auf mehr als 50 Fragen gegeben und Wulff dabei verteidigt. Die Opposition gab sich damit nicht zufrieden. Die Sache sei weiterhin nicht geklärt, sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Auch am Freitag wird die Affäre Wulff Thema im Landtag sein. Die Linke will einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss beantragen. Die SPD plant einen Missbilligungsantrag. Beide Vorhaben werden aber voraussichtlich an den notwendigen Mehrheiten scheitern. Die Grünen haben sich noch nicht endgültig entschieden.

Die Affäre um Wulff bringt nach Überzeugung von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier die Politik generell in Verruf. „Viele wollen doch glauben, es sei übliche Praxis in der Politik, ständig nur auf der Suche nach persönlichen Vorteilen zu sein“, sagte er den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. Für Wulff werde es „ein langer Weg“, Vertrauen und Respekt zurückzugewinnen. „Und ich habe Zweifel, ob es gelingt.“

Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage für den Deutschlandtrend des ARD-„Morgenmagazins“ befürworten 46 Prozent der Bürger einen Rücktritt. 45 Prozent sind der Meinung, Wulff solle weiter Staatsoberhaupt bleiben. Bei der letzten Umfrage am 9. Januar hatten gleich viele Bürger einen Rücktritt des Bundespräsidenten verlangt. Allerdings waren noch 46 Prozent der Meinung, Wulff solle im Amt bleiben.

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