Antrittsbesuch bei Merkel: Der Berlusconi-Nachfolger bittet um Sonderkonditionen für Italien. Die FDP bleibt derweil bei der Finanzsteuer hart.

Berlin. Die Beziehung zwischen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti ist eine besondere. Sie hat ihn ins Amt gebracht. Das behauptet jedenfalls das "Wall Street Journal", das in einer bemerkenswerten Recherche einen Anruf aus dem Bundeskanzleramt als direkten Auslöser für den Sturz von Montis Vorgänger Silvio Berlusconi rekonstruierte. Merkel habe an einem Abend im Oktober dem italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano angedeutet, dass die europäischen Partner kein Vertrauen in den Reformehrgeiz Berlusconis mehr hätten. Danach hätte dieser begonnen, eine neue Mehrheit im Parlament zu sondieren. Jene Mehrheit, die am Ende den Universitätsprofessor Mario Monti wählte.

Im Berlin wird der Anruf nicht dementiert, der direkte Zusammenhang zum Sturz Berlusconis aber schon. Rom dementiert genauso, allerdings weniger entschieden. Unstrittig ist: Monti ist ein Geschöpf des neuen Merkel-Europas. Ein Politiker, der nie eine Wahl gewann, aber sich ganz der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit verschrieben hat. Nur 16 Tage nach seiner Amtseinführung hat er ein Gesetz zur Haushaltskonsolidierung durch das Parlament gepeitscht. Seine Arbeitsministerin brach in Tränen aus, als sie die Verlängerung der Lebensarbeitszeit verkündete.

Monti hat geliefert, was Merkel wollte . Jetzt kam er nach Berlin, um sich die Belohnung abzuholen. Auch darin war er offen und klar. Im Interview der "Welt" konnte nicht nur ein staunendes Italien, sondern auch die Bundeskanzlerin nachlesen, was Monti von Berlin erwartet. Die in den letzten Wochen von Berlusconi ins Unbezahlbare gesteigerten Zinsen sollen sinken. Nicht erst wenn Montis Reformen greifen, sondern jetzt. Dafür lieferte der Ökonom eine politische Begründung: "Wenn es für die Italiener in absehbarer Zeit nicht greifbare Erfolge ihrer Spar- und Reformbereitschaft gibt, wird in Italien ein Protest gegen Europa entstehen - auch gegen Deutschland." Diese Drohung hat Merkel nicht gefallen.

+++ Leitartikel: FDP verspekuliert sich +++

Das Gespräch der beiden dauerte am Mittwoch 45 Minuten länger als geplant, was, so Merkel, nicht an einem Streit gelegen habe. Zeitgleich ging allerdings ein enger Vertrauter der Bundeskanzlerin, der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, ins ARD-Hauptstadtstudio. Dort sagte er: "Ich wünsche mir, dass Mario Monti vor allen Dingen die italienischen Reformen voranbringt, bevor er Wünsche an seine europäischen Partner äußert. Das wäre der beste Weg, damit die Märkte wieder Vertrauen fassen." Mit anderen Worten: Italien muss sich noch mehr anstrengen.

Monti sagte bei einer Pressebegegnung mit der Kanzlerin gleich dreimal, die Zinsen müssten nun sinken. Ihre Höhe sei vor seinen Reformen berechtigt gewesen, nun aber nicht mehr. Leider erlaubte das starre, auf nur wenige Nachfragen beschränkte Protokoll eines Staatsbesuchs nicht die Erkundung, was Monti konkret von Merkel wollte: Soll die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen weiter senken? Sollen die Rettungsschirme noch mehr ausgeweitet werden, um die Märkte zu beruhigen? Oder will Monti die in Berlin unbeliebten Euro-Bonds, die italienische Zinsen dank deutscher Haftung auf ein niedrigeres Niveau drücken würden?

Der inhaltliche Dissens wurde überspielt durch einen freundschaftlichen Ton. Merkel lobte Montis Reformen als "außerordentlich wichtige und bemerkenswerte Maßnahmen", mit "großem Respekt" verfolge sie insbesondere das Tempo der Umsetzung. Monti seinerseits lobte Deutschland erneut als Beispiel und Vorbild für sein Land. Es habe "Reformen bewältigt und bewältigt weiter Reformen. Deshalb steht es mit so glänzender Wettbewerbsfähigkeit da."

Merkel nannte auch Schwächen Deutschlands wie die lange Umsetzungsdauer von Infrastrukturprojekten und eine zu große Skepsis gegenüber neuen Technologien. Und sie hat in der FDP einen Koalitionspartner, der ihr das Regieren in der Krise nicht leichter macht. So sehr sich Merkel bemüht, den Streit um die Einführung einer Finanzsteuer zu entschärfen, so sehr bleibt eine Steuer nur für die 17 Euro-Länder ihre persönliche Meinung. Denn die FDP will die umstrittene Steuer auf Börsenumsätze nur auf der Ebene aller 27 EU-Staaten mittragen .

Der Streit belastet die Regierungskoalition. Mit der seit Jahren geplanten Steuer sollen Finanzspekulationen eingedämmt und Banken an den Krisenkosten stärker beteiligt werden. In einem neuen Papier hat die FDP-Fraktion ihr Nein bekräftigt. Die Finanztransaktionssteuer werde an die Kunden weitergereicht: "Damit trifft sie den Fondssparer, den Kleinanleger und die Unternehmen in Deutschland", heißt es. Nach Ansicht des CDU-Vorstandsmitglieds Josef Schlarmann ist das Verhältnis zwischen Union und FDP "zerrüttet". Das liege daran, "dass die FDP nicht auf die Füße kommt, aber auch an der schlechten Behandlung der Partei durch die Union", sagte Schlarmann.

Beim Monti-Besuch sagte Merkel, alle Euro-Länder müssten zeigen, dass sie zusammenhielten. "Gemeinsam sind wir reicher und kräftiger als allein", sagte Merkel. Da wollte es auch Monti an Pathos nicht fehlen lassen: "Europa ist das beste Projekt der Welt."