Der Kreisvorstand der Christdemokraten aus der nordhessischen Stadt will den mutmaßlichen Neonazi Daniel Budzynski aus der Partei ausschließen.

Kassel. Der am Wochenende enttarnte mutmaßliche Neonazi Daniel Budzsynski aus dem Vorstand der Kasseler CDU soll möglichst schnell aus der Partei geworfen werden. Bereits am Donnerstag wolle der Kreisvorstand ein förmliches Parteiausschlussverfahren beschließen, sagte die Kasseler CDU-Chefin und hessische Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann am Montag. "Die Indizienlage ist ziemlich eindeutig“, fügte sie hinzu.

Der Hessische Rundfunk (HR) hatte berichtet, das Amt des Schriftführers im CDU-Stadtbezirksverband Kassel-Nord werde seit zwei Jahren von einem Politikstudenten bekleidet, der zu der rechtsextremen Kameradschaft "Freier Widerstand Kassel“ gehöre.

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Er habe unter einem Decknamen im Internet nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet. Daraufhin trat der 25-Jährige von seinem Posten zurück. Die CDU-Mitgliedschaft wollte er aber angeblich behalten.

Opposition reicht Parteiausschluss nicht

Die Opposition im hessischen Landtag forderte weitere Aufklärung über den Fall. Kühne-Hörmann müsse schnellstens klären, welche Beziehungen es zwischen dem Vorsitzenden des Stadtbezirksverbandes und Budzynski gegeben habe und warum angeblich niemand von seiner Einstellung wusste, forderte der Kasseler Grünen-Landtagsabgeordnete Andreas Jürgens. Beide hätten gemeinsam Politik studiert, beide "werden gemeinsam in den gleichen CDU-Vorstand gewählt. Aber von den rechtsextremen Ansichten des einen will der andere nichts mitbekommen haben“, sagte Jürgens. Das klinge doch sehr merkwürdig.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Günter Rudolph, nannte es verwunderlich, dass Medienberichte nötig seien, damit einem Rechtsradikalen in der CDU das Handwerk gelegt werde. "War die Kassler CDU auf dem rechten Auge blind?“, fragte er.

Die Linken-Fraktionsvorsitzende Janine Wissler nannte es "mehr als befremdlich, dass ein Neonazi jahrelang Mitglied der CDU sein kann, ohne dass er auffällt“. Sie warf der Hessen-CDU vor, sich seit Jahren als "rechter Kampfverband“ innerhalb der Union zu verstehen. Die Partei müsse ihre politische Ausrichtung hinterfragen. Das Problem löse sich nicht allein durch einen Parteiausschluss des aufgeflogenen Neonazis.

Weiter Rätsel um Sprengstoff des Neonazi-Trios

Derweil sind die Hintergründe eines mutmaßlichen Sprengstoff-Diebstahls in Thüringen und der Zusammenhang mit dem Jenaer Neonazi-Trio weiter unklar. Das Verteidigungsministerium und die Staatsanwaltschaft Gera konnten am Montag keine Angaben zu einem Bericht der "Bild am Sonntag“ machen, wonach Anfang der 90er Jahre 40 Kilo TNT aus einem Bundeswehrdepot bei Kahla verschwunden seien. Die Zeitung hatte berichtet, der Sprengstoff sei in den Rohrbomben des Trios von 1998 gewesen. Laut Zeitung prüfen die Ermittler, ob das TNT auch beim Nagelbomben-Anschlag 2004 in Köln eingesetzt wurde. In Erfurt gedachten am Montagabend mehrere hundert Menschen der von dem Trio ermordeten Menschen und riefen zugleich zur Verteidigung der Demokratie auf.

Die Staatsanwaltschaft bekräftigte am Montag auch, dass ein Diebstahl von 1990 in einem anderen Depot, einem früheren NVA-Depot, bei Großeutersdorf, damit nicht zusammenhänge. Die dort gestohlenen 375 Sprengkapseln seien alle wieder aufgetaucht, nachdem 1996 vier Männer als Diebe ermittelt wurden. Laut Staatsanwaltschaft erhielten später zwei von ihnen Bewährungsstrafen, einer eine Geldstrafe, ein Verfahren sei gegen eine Geldauflage eingestellt worden.

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Das MDR-Magazin "Exakt“ hatte dagegen einen Mann als „Beteiligten“ des Diebstahls mit der Aussage zitiert, dass noch 17 Kilogramm Sprengstoff verschwunden seien. Bundeswehr und Staatsanwaltschaft wollen nun erneut alte Unterlagen sichten. 1998 war eine Werkstatt des Trios in einer Jenaer Garage aufgeflogen, in der Ermittler vier Rohrbomben mit knapp 1,4 Kilo des Sprengstoffs TNT fanden.

In der Landeshauptstadt Erfurt erinnerten am Abend mehrere hundert Menschen der Opfer der Neonazi-Morde. "Wir machen es uns zu einfach, wenn wir von rechtsradikalem Milieu als Randerscheinung sprechen“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayman Mazyek. Rechtsradikales Gedankengut gebe es in der Mitte der Gesellschaft. Im Grunde genommen gehe es aber um viel mehr: "In erster Linie geht es um den Kampf gegen Rassismus“, sagte Mazyek. Die Botschaft aus Erfurt müsse deshalb lauten: „Aufstand der Anständigen und Aufklärung der Zuständigen“.

Ex-Ministerpräsident Vogel kritisiert Verfassungsschützer

Unterdessen kritisierte Thüringens früherer Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) die Arbeit der Verfassungsschutzämter nach den Pannen bei der Verfolgung der Zwickauer Neonazi-Terroristen. Er habe immer eine gewisse Skepsis gegen Verfassungsschutzämter gehegt, sagte Vogel der "Thüringer Allgemeinen“ (Montag). Vogel, während dessen Regierungszeit die mutmaßlichen Rechtsterroristen aus Thüringen untertauchen konnten, wies die Verantwortung dafür unter Verweis auf den damaligen Innenminister Richard Dewes (SPD) von sich. "Wenn die Minister nichts vortragen, dann verlässt sich der Regierungschef darauf, dass die Ressortchefs alles selbst im Griff haben.“

Sachsens Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos wies den Vorwurf zurück, durch Fehler die Festnahme der Neonazi-Gruppe NSU im Jahr 2000 vermasselt zu haben. "Ein Zugriff durch unsere Behörde ist generell nicht möglich, sondern kann nur durch die Polizei erfolgen“, sagte Boos. Es habe Hinweise gegeben, dass die gesuchten Rechtsextremisten am 30. September oder am 1. Oktober 2000 Kontakt zu Bekannten in Chemnitz aufnehmen könnten. Für diese Tage sei der polizeiliche Zugriff geplant worden. "Es war schlicht Ermittlerpech, dass die gesuchten Personen bereits dort auftauchten, als die Polizei noch nicht im Einsatz war“, sagte Boos. Anschließend wurden die Gesuchten dort nicht wieder gesehen.

Das Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe aus Jena soll die rechtsextreme Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gebildet haben, die von Zwickau aus operierte. Den beiden Männern, die sich nach derzeitigem Stand vor einer Festnahme selbst töteten, werden Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin angelastet. Die ebenfalls tatverdächtige 36-jährige Zschäpe sitzt in Untersuchungshaft.

Als Konsequenz aus den Pannen rund um die Neonazi-Mordserie hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zahlreiche Maßnahmen angekündigt. Ein Sprecher bestätigte am Montag, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz nun die Befugnis zur zentralen Auswertung aller Erkenntnisse zum gewaltbereiten Rechtsextremismus erhält. Dazu legten die Landesämter dem Bundesamt ab sofort ihre Erkenntnisse vor. Darauf hätten sich die Staatssekretäre von Bund und Ländern geeinigt.

Mit Schlussfolgerungen aus der jahrelang unerkannt gebliebenen Mordserie wollen sich auch die Innenminister von Bund und Ländern bei ihrer Konferenz am 8. und 9. Dezember in Wiesbaden beschäftigen. Unterdessen halten in Berlin die Diskussionen darüber an, wie die Vorgänge parlamentarisch aufgearbeitet werden sollen. Zur Debatte stehen ein Bundestags-Untersuchungsausschuss sowie die Einrichtung eines Sonderermittlers oder einer Bund-Länder-Kommission.

Mit Material von dpa und dapd