Bremen/Berlin. Nach der Wahl in Hamburg und Bremen wird die Kritik aus den eigenen Reihen immer lauter. AfD-Gründer Bernd Lucke ist in der Defensive.

Die AfD steht vor einer Zerreißprobe. Schon nach Wahl in Hamburg im Februar hatte Parteichefin Frauke Petry die dortigen 6,1 Prozent als dürftig kritisiert und dafür den Kurs von Co-Parteichef Bernd Lucke verantwortlich gemacht. In Bremen war am Sonntag sogar zunächst nicht klar, ob die AfD überhaupt den Sprung in die Bürgerschaft schaffen könnte. In beiden Stadtstaaten hatten sich Vertreter des wirtschaftsliberalen Flügels zur Wahl gestellt, für den auch AfD-Gründer Lucke steht. Im Gegensatz zu ihm wollen sich Petry und der nationalkonservative Flügel nicht eindeutig von rechtspopulistischen Tendenzen distanzieren und zeigen offen Sympathien etwa für die islamfeindliche Pegida-Bewegung.

Lucke schob noch am Wahlabend seinen Widersachern indirekt die Schuld am Ergebnis zu: „Das glaube ich schon, (...) dass diese Streitigkeiten belasten gewirkt haben.“ Ob die Parteifunktionäre dieser Lesart folgen werden, wird sich spätestens beim Parteitag Mitte Juni in Kassel zeigen, wenn ein neuer Vorstand gewählt wird. Das gleichberechtigte Trio - neben Lucke und Petry auch Konrad Adam - soll dann durch eine Doppelspitze ersetzt werden. Wer die meisten Stimmen bekommt, soll dann im Dezember automatisch alleiniger Parteichef werden. Lucke hat die Vorstandswahl zur Richtungsentscheidung erhoben.

Aus dem Parteitag Ende Januar ging Lucke noch als strahlender Sieger hervor, denn auf seinen Wunsch wurde die Reform der AfD-Spitze beschlossen. Mittlerweile ist er aber in die Defensive geraten. Sein engster Mitstreiter, Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, hat entnervt sein Amt als stellvertretender Parteichef aufgegeben. In Auseinandersetzungen mit den Landesparteichefs Marcus Pretzell (NRW), Björn Höcke (Thüringen) und Alexander Gauland (Brandenburg) konnte er sich nicht durchsetzen.

HAT AFD OHNE LUCKE EINE ZUKUNFT?

Als entscheidend könnte sich in Kassel herausstellen, dass der Parteitag von wenigen hundert Delegierten abgehalten wird. In Bremen waren es knapp 2000 Mitglieder, die Lucke mit seinen Reden auf seine Seite ziehen könnte. Ob das bei Delegierten gelingt, die ihren Landesvorsitzenden verpflichtet sind, ist unsicher. Lucke versuchte, das Kassler Treffen erneut zum Mitgliederparteitag zu machen, scheiterte aber an hohen Kosten.

Ob sich die AfD ohne Lucke an der Spitze wird behaupten können, scheint zweifelhaft. „Wenn Lucke nicht mehr da ist, ist die Partei viel angreifbarer“, sagte der Politologe Jürgen Falter Reuters. Lucke sei frei von jedem Verdacht, dass er ein verkappter Rechtsextremer sein könnte. Trotzdem sei die AfD auch auf den nationalkonservativen Flügel angewiesen, denn ihre Stärke fuße auf ihren zwei weltanschauliche Polen: „Der eine ist der wirtschaftliberale Pol für Wähler der Mitte, die unzufrieden sind mit der Euro- und Griechenland-Politik. Der andere Pol sind Nationalkonservative und Wertkonservative, die von der CDU enttäuscht sind und sich in keiner Partei mehr zu Hause fühlen.“

Falter ist sehr skeptisch, ob beide Flügel ihren Streit beilegen können: „Es gibt keinerlei Anzeichen, dass die Führungsleute dies einsehen würden.“ Eine Kostprobe gab noch am Sonntag Co-Parteichef Adam, der via „Bild“-Zeitung erklärte: „Es gibt handfeste Indizien dafür, dass Bernd Lucke sich dazu entschieden hat, die AfD zu verlassen. Meine Kollegen und ich nehmen das sehr ernst und fordern ihn in tiefer Sorge um die Zukunft der AfD auf, sich dazu zu erklären.“