Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt haben nur die Grünen, dank Atomdebatte, Aufwind. In den anderen Parteien wächst die Nervosität.

Berlin. Wenn man selbst keine Chance hat zu siegen, dann bleibt einem wenigstens die Freude, wenn auch die anderen ein bisschen verlieren. Offenbar hatten sich SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ein solches Denkmuster zurechtgelegt, bevor sie gestern Abend die Bühne im Willy-Brandt-Haus betraten. Erneut nur drittstärkste Kraft in Sachsen-Anhalt zu werden feierten die Sozialdemokraten wie einen Sieg.

Die CDU habe zum dritten Mal bei Landtagswahlen Verluste erlitten, jubelte Nahles bei ihrem ersten Auftritt seit der Babypause. "Das haben sie auch verdient", so Nahles weiter. Zudem gebe es einen klaren Verlierer, "das ist die FDP". Diese habe die Quittung für massive Lobbypolitik bekommen. Und Steinmeier rechnete vor, dass mit CDU und Linkspartei zwei der drei großen Parteien Verluste erlitten hätten, nur die SPD nicht. "Ich bin überhaupt nicht enttäuscht", sagte er breit lächelnd und sprach danach von der "Chance" in Baden-Württemberg, Schwarz-Gelb abzulösen. Kaum hatte die SPD das Magdeburger Ergebnis verdaut, hatte sie wieder auf Wahlkampf geschaltet.

Der Konkurrenz ging es kaum anders. Grünen-Chef Cem Özdemir sprach von einer "Stärkung" für die Wahlkämpfer im Südwesten, die erstmals einen grünen Ministerpräsidenten stellen wollen. FDP-Parteichef Guido Westerwelle blieb nach der deutlichen Niederlage nichts anderes übrig, als die Anhänger der bürgerlichen Parteien aufzurufen, in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz massiv zur Wahl zu gehen. Ansonsten sei die Gefahr einer linken Mehrheit groß, sagte Westerwelle in der ARD.

Der kommende Sonntag ist für die Parteien ein anderes Kaliber, so viel wurde gestern klar. Selbst der Union blieb kaum Luft, den Sieg von Sachsen-Anhalt und die sehr wahrscheinliche Fortsetzung der schwarz-roten Koalition zu feiern. Also formulierten die Parteigranden ihre Sätze so, dass sich auch die Wähler im Südwesten der Republik angesprochen fühlen konnten. Es habe sich gezeigt, dass nicht diejenigen recht behielten, die nun Panik machten, sondern jene, die einen klaren Kopf für seriöse Politik behielten, sagte etwa der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier. Er meinte damit den Zank um den Atomausstieg nach der Katastrophe in Japan.

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe Stefan Müller machte der wahlkämpfenden Schwesterpartei Mut: "Das Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt ist ein klares Signal dafür, dass die Menschen in dieser Situation Seriosität und eine starke Führung erwarten", sagte Müller dem Abendblatt. "Die Versuche der Opposition, beim Thema Kernenergie mit den Ängsten der Menschen Wahlkampf zu betreiben, waren in Sachsen-Anhalt erfolglos." Auch in Stuttgart und Mainz werde die CDU mit landespolitischen Themen die Wahlen gewinnen. "Die Menschen in Baden-Württemberg wissen, dass die Kernenergie eine Brückentechnologie ist, und werden die Politik der CDU entsprechend honorieren."

Die Nervosität vor dem nächsten Wahltag steigt - und immer deutlicher wird, wie sehr die Atomdebatte der Union zu schaffen macht. Nach einer Emnid-Umfrage findet jeder zweite Deutsche Merkels Krisenmanagement nach der Atomkatastrophe von Japan schlecht. Am Freitag hatte der ARD-Deutschlandtrend ermittelt, dass 68 Prozent der Deutschen Merkels Kurswechsel für ein Wahlkampfmanöver halten. Die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin leidet in diesen Tagen, in denen der eigentliche Härtetest der Koalition noch bevorsteht. Vor dem Unglück in Japan waren die Umfragewerte von CDU und FDP in Baden-Württemberg wieder gestiegen. Nun sind sie erneut eingebrochen. Nach jetzigem Stand könnte Grün-Rot Ministerpräsident Stefan Mappus aus dem Amt fegen.

Bei dieser Vorstellung schien die Parteien gestern das Ergebnis von Sachsen-Anhalt fast schon zu langweilen. Allein die Linke wollte gestern noch nicht an die nächste Woche denken und beanspruchte die Regierungsbildung in Magdeburg für sich. Parteichef Klaus Ernst forderte die SPD auf, sich zu bewegen: "Wir stehen zur Verfügung und wollen die Regierung führen."