Am Wahlergebnis muss sich die Parteivorsitzende messen lassen. Doch mehr als um ihre Wahl sorgt sich Angela Merkel um den Zustand der CDU.

Karlsruhe/Hamburg. Sie hält eine Grundsatzrede, sie stellt sich zur Wahl – und Angela Merkel muss beim 23. Bundesparteitag der CDU in Karlsruhe die Partei zusammenhalten. Nach den Rückzügen der prominenten Christdemokraten wie Ole von Beust in Hamburg, Roland Koch in Hessen und der Weiterbeförderung von Christian Wulff zum Bundespräsidenten nach Berlin ist die Lage der CDU selbst für Parteikenner ungewiss. In den Umfragen hat sich ein niedriges Niveau eingependelt, keine Überraschung für die einstigen Volksparteien CDU und SPD. Doch Merkel muss neben ihren Personalvorschlägen für das CDU-Präsidium und die Aspiranten Norbert Röttgen und Ursula von der Leyen auch in den Sachfragen punkten. Dabei geht es um die Aussetzung der Wehrpflicht – ein Tabu noch vor Monaten – und die Präimplantationsdiagnostik (PID). Die künstliche Befruchtung, die Kontrolle des „genetischen Materials“ und die Fragen der Ethik rütteln am christdemokratischen Selbstverständnis.

Über die Frage eines Verbots oder einer streng reglementierten Zulassung der PID wird eine kontroverse Debatte erwartet. Kanzlerin Merkel, Generalsekretär Hermann Gröhe, sowie Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) haben einen Antrag eingebracht, die PID zu verbieten, so wie es auch im CDU-Grundsatzprogramm steht. Sie plädieren für ein Verbot der Diagnostik, bei der Embryonen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung auf Genschäden untersucht und gegebenenfalls vernichtet werden. Dagegen sprechen sich unter anderem von der Leyen sowie Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) für eine Zulassung in engen Grenzen aus. So soll für Fälle von schwerer erblicher Vorbelastung der Eltern die PID weiter erlaubt bleiben.

Am Dienstag wird als Gast der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer in Karlsruhe erwartet. Außerdem sollen ein Antrag zur Bildungspolitik sowie ein Leitantrag mit dem Titel „Verantwortung Zukunft“ vorgelegt werden. Dieser beschäftigt sich mit den politischen Linien der CDU von der Familien- über die Integrations- bis hin zur Energiepolitik.

Merkels Wahl selbst wird als Stimmungsbarometer auch für die potenziellen Nachfolger gewertet. Das waren die Ergebnisse der bisherigen CDU-Vorsitzenden auf den jeweiligen Parteitagen:

Konrad Adenauer:

Oktober 1950, Goslar: 96,5 Prozent, Oktober 1952, Berlin: 100,0, Mai 1954, Köln: einstimmig per Akklamation, April 1956, Stuttgart: einstimmig per Akklamation, September 1958, Kiel: einstimmig per Akklamation, April 1960, Karlsruhe: 99,1, Juni 1962, Dortmund: 94,4, März 1964, Hannover: 97,0.

Ludwig Erhard:

März 1966, Bonn: 83,8 Prozent.

Kurt Georg Kiesinger:

Mai 1967, Braunschweig: 96,4 Prozent, November 1969, Mainz, 88,3.

Rainer Barzel:

Oktober 1971, Saarbrücken: 66,4 Prozent.

Helmut Kohl:

Juni 1973, Bonn: 91,1 Prozent, Juni 1975 Mannheim: 99,3, März 1977, Düsseldorf: 96,6, März 1979, Kiel: 88,3, März 1981, Mannheim: 97,2, Mai 1983, Köln: 97,4, März 1985, Essen: 93,7, November 1987: Bonn, 87,6, September 1989, Bremen: 79,5, Oktober 1990, Hamburg: 98,5, Oktober 1992, Düsseldorf: 91,5, November 1994, Bonn: 94,4, Oktober 1996: Hannover, 95,5

Wolfgang Schäuble:

November 1998, Bonn: 94,0 Prozent.

Angela Merkel:

April 2000, Essen: 95,9 Prozent, November 2002: Hannover, 93,7, Dezember 2004, Düsseldorf: 88,4, Dezember 2006, Dresden: 93,1, Dezember 2008, Stuttgart: 94,8.