Deutsche Unternehmen verschlafen die Entwicklung in Fernost, kritisiert Verkehrsminister Peter Ramsauer. Das will der CSU-Politiker ändern.

Ulan Bator. Die Frage, weshalb eigentlich der Bundesverkehrsminister in die Mongolei reist, will Peter Ramsauer beantworten, bevor sie ihm gestellt wird. "Ich habe immer schon viel Außenpolitik gemacht", sagt er vor der Landung in Ulan Bator. Und erzählt, dass er in den neunziger Jahren die deutsch-koreanische Parlamentariergruppe geleitet und auch Nordkorea besucht habe. "Ein irres Land."

Als Ramsauer vor 18 Jahren zum ersten Mal in die Mongolei kam, machten sich die Nachfahren von Dschingis Khan gerade mit der Demokratie vertraut. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetreichs fiel dem bisherigen Satellitenstaat der Übergang zur Marktwirtschaft schwer. Die beiden wichtigsten Exportartikel seien Wolle und Därme gewesen, erinnert sich Ramsauer. 80 Prozent der Weißwursthäute für bayerische Biergärten seien damals aus der Mongolei gekommen. "Und heute", sagt der CSU-Mann, "ist die Mongolei ein strategischer Rohstofflieferant."

Kupfer, Gold, Kohle, Zink, Uran - die Mongolei gehört zu den Ländern mit den meisten Bodenschätzen der Erde. Ramsauer ist unruhig. "Wir müssen Fuß fassen und Wurzeln schlagen an dieser Rohstoffquelle", drängt er. Deutsche Unternehmen hätten "fürchterlich gepennt". Es sei "zum Wahnsinnigwerden", wie träge die heimische Wirtschaft auf solche Entwicklungen reagiere; anders als kanadische oder australische Firmen. So spricht keiner, der sich auf Fragen von Verkehr und Bau beschränkt. So spricht einer, der als Außenwirtschaftsminister unterwegs ist - vor dem Rohstoffgipfel der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Monatsende.

Um den Einfluss ihrer riesigen Nachbarn China und Russland zu begrenzen, zielt die mongolische Außenpolitik auf Anlehnung an entfernte Staaten - nach dem Motto: Den sichersten Stand hat man auf drei Beinen. Und Deutschland kann dabei eine zentrale Rolle spielen, davon ist Peter Ramsauer überzeugt.

Den Eindruck einer "starken Deutschenfreundlichkeit" hat ihm Lu Bold vermittelt, inzwischen Verteidigungsminister und früher Rohstoffminister des Landes. Der Mann verehrt die Deutschen, seit er in Leipzig studiert hat - zu Zeiten der DDR, die intensive Beziehungen zur Volksrepublik Mongolei pflegte. Von Bold weiß Ramsauer auch, welches Ansehen deutsche Ingenieure genießen. "Als würden sie das Evangelium verkünden", sagt der Politiker aus dem Chiemgau.

Ramsauer wird empfangen von der Staatsspitze eines Landes, das zwar viermal so groß ist wie Deutschland, in dem aber lediglich 2,8 Millionen Menschen leben. In der rußverhangenen Hauptstadt - die Menschen in Ulan Bator heizen mit Kohle und manchmal auch mit Autoreifen - trifft er den Premierminister und den Staatspräsidenten. Höflichkeitsbesuche, wie das Protokoll vermerkt.

Mit einem Hubschrauber der mongolischen Armee lässt sich Ramsauer in die Wüste Gobi fliegen. Mit an Bord ist eine kleine Gruppe deutscher Unternehmensvertreter, die den Verkehrsminister auf seiner Reise in die Mongolei und nach China begleitet. 520 Kilometer über schneebedeckte Hügel und Geröllplateaus, nur Kamele sind immer wieder zu sehen. Ziel ist Oyu Tolgoi, was so viel bedeutet wie türkisfarbener Hügel. Dort hat eines der größten Minenprojekte der Welt begonnen. 30 Millionen Tonnen Kupfer und 1000 Tonnen Gold sind in der Region nahe der chinesischen Grenze entdeckt worden. "Wahrscheinlich sind es noch viel mehr", vermutet Projektleiter Steve Garcia, ein Amerikaner mit Cowboyhut. "Wir können hier in zwei Generationen noch abbauen."

Neben dem mongolischen Staat haben der kanadische Bergbaukonzern Ivanhoe und das anglo-australische Unternehmen Rio Tinto die Abbaulizenzen erworben. 21 Vertragsfirmen sind beteiligt, darunter aber keine einzige deutsche. Bis zum Start 2013 stehen Investitionen in der Größenordnung von drei bis fünf Milliarden Euro in Aussicht. Der deutsche Botschafter Pius Fischer formuliert es mit Gorbatschows Worten: "Jetzt werden die letzten Claims abgesteckt. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben."

Fast zwei Stunden dauert Ramsauers Arbeitsbesuch im mongolischen Verkehrsministerium. Sein Amtskollege Kh.Battulga, zugleich einer der größten Unternehmer des Landes, präsentiert die neue Eisenbahnstrategie der Mongolei. Ziel ist, das hoffnungslos veraltete Schienennetz aus Sowjetzeiten zu modernisieren und um Tausende Kilometer zu erweitern. Als erstes soll eine West-Ost-Verbindung entstehen: von den Lagerstätten an der chinesischen Grenze zu den russischen Häfen. Von dort aus sollen die Rohstoffe nach Japan und Südkorea, aber auch nach Europa verschifft werden. So will sich die Mongolei dem drohenden Zugriff Chinas auf die Bodenschätze in der Grenzregion entziehen.

Einer der Unternehmer, die mit dem Verkehrsminister nach Fernost gekommen sind, ist Maximilian Grauvogl, Geschäftsführer des Münchner Planungsbüros Obermeyer. Es arbeitet auch am umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 und der U-Bahn in die Hamburger HafenCity. Grauvogl überlegt, sich um die Planung der neuen Bahnstrecke in der Mongolei zu bewerben. "Wir haben das beste Know-how", sagt er. Allerdings wurde im Frühjahr eine russisch-mongolische Gesellschaft gegründet. Seither geht nichts mehr ohne die Russen. Das weiß auch Niko Warbanoff, Geschäftsführer der Deutschen Bahn International. Er hofft jetzt darauf, dass in Sachen Planung und Beratung noch Aufträge für sein Unternehmen abfallen.

Raumsauer, der als erster deutscher Verkehrsminister überhaupt in die Mongolei gereist ist, hat neben Rohstoffen und Infrastruktur ein weiteres Geschäftsfeld ausgemacht: die energetische Gebäudesanierung mit deutschem Know-how. Ihm ist klar, dass sich in Jurten, den traditionellen mongolischen Rundzelten, wenig sanieren lässt. "Aber in einem Land, in dem die Temperaturen zwischen 40 Grad im Sommer und minus 40 Grad im Winter schwanken, müssten wir ins Geschäft kommen." Nur dürften die Deutschen keine Zeit mehr verlieren.