Kabinett winkt Schäubles Haushaltsgesetz durch, aber die Debatte geht weiter. Bis 2014 soll der Etat um 80 Milliarden Euro entlastet werden.

Berlin. Die Bundesregierung hat gestern ihr milliardenschweres Sparpaket auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss einen entsprechenden Gesetzentwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der zum Teil drastische Kürzungen für Arbeitslose und Familien sowie Wohngeldempfänger und Staatsdiener vorsieht.

Zwar ist jetzt das Parlament am Zuge, doch Haushaltspolitiker wie der FDP-Mann Florian Toncar dämpfen bereits die Erwartungen, dass im Bundestag noch Änderungen im großen Stil durchgesetzt werden: "Bei uns Haushältern in der Koalition gibt es überhaupt keinen Zweifel, dass das verabredete Sparvolumen auf jeden Fall erreicht werden muss", sagte Toncar dem Abendblatt. "Das heißt nicht, dass man bei einzelnen Punkten nicht noch über Mittel und Wege sprechen kann, aber das wird die Ausnahme bleiben. Wir sind uns da sehr einig, und wir entscheiden es am Ende übrigens auch."

Das Paket, das Einsparungen und Mehreinnahmen vorsieht, soll den Bundesetat bis 2014 um 80 Milliarden Euro entlasten. Das Abendblatt erläutert die wichtigsten Bereiche:

Luftverkehrsabgabe : Trotz geballter Proteste der Luftfahrtbranche und der Tourismuspolitiker aus den eigenen Reihen wird das Fliegen von deutschen Flughäfen teurer. Die umstrittene neue Luftverkehrssteuer von bis zu 45 Euro pro Ticket gilt seit 1. September bei Buchungen für Abflüge vom 1. Januar kommenden Jahres. Damit soll verhindert werden, dass sich Passagiere schon jetzt im großen Stil mit Tickets für 2011 eindecken. Die nach Entfernung in drei Stufen gestaffelte Steuer soll jährlich eine Milliarde Euro zur Haushaltskonsolidierung einbringen. Für Inlandsflüge und Kurzstreckenrouten in Europa werden acht Euro je Passagier fällig, wie aus dem beschlossenen Gesetzentwurf hervorgeht. Für Mittelstrecken liegt der Satz bei 25 Euro, für Langstreckenflüge bei 45 Euro. Das Kabinett schafft mit diesem Beschluss Fakten, die Chancen, dass noch Änderungen durchgesetzt werden, seien gering, heißt es.

Sozialkürzungen: 4,3 Milliarden Euro will die Regierung auf diesem Sektor einsparen. So werden Hartz-IV-Empfänger nicht länger rentenversichert. Auch der befristete Zuschlag beim Übergang von Arbeitslosengeld I zu Hartz IV entfällt. Bezieher von Arbeitslosengeld II erhalten künftig zudem kein Elterngeld mehr. Wohngeldempfänger müssen ab 2011 auf den Heizkostenzuschuss verzichten, der in Zeiten höherer Energiekosten eingeführt worden war. Sozialverbände und Opposition kritisierten die Pläne von Anfang an, doch Union und FDP stehen zu den Kürzungen. Über den Bundesrat lässt sich das Vorhaben nicht stoppen, weil die Streichliste nicht zustimmungspflichtig ist. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte gestern, die schwarz-gelbe Regierung schlage "brutal bei Arbeitslosen, Alleinerziehenden und Familien" zu.

Kernbrennstoffsteuer: Die Entscheidung, mit der die Kernkraftwerksbetreiber als Gegenleistung für die Laufzeitenverlängerung zur Kasse gebeten werden sollen, wurde aus dem Gesetz herausgenommen und auf Ende September vertagt. Dann wird das Energiekonzept verabschiedet. Die Regierung nimmt so Rücksicht auf die laufenden Gespräche mit den Konzernen, die die Mittel lieber in einen Fonds einzahlen wollen. Für Toncar ist das unerheblich: "Egal ob die Fondslösung kommt oder die Steuer - die von uns eingeplanten 2,3 Milliarden Euro pro Jahr müssen am Ende mehr in der Staatskasse sein." Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte den Aufschub: "Nach vollmundigen Ankündigungen wirft sich die Bundesregierung jetzt hasenherzig vor den Atomkonzernen in den Staub."

Ökosteuer: Bislang erhalten etwa Aluminiumhütten bis zu 95 Prozent der Steuern auf Strom und Gas erstattet. Jetzt will die Koalition die Ausnahmen von der Ökosteuer für energieintensive Betriebe sukzessive abschaffen. Der CDU-Wirtschaftsflügel würde dies am liebsten noch verhindern, Energielobbyisten laufen ohnehin Sturm gegen die Maßnahme. Aber Schäuble machte gestern noch einmal deutlich, dass es keine Abstriche beim Sparen geben darf, auch wenn die deutsche Wirtschaft überraschend stark wächst. Die Entwicklung sei "kein Anlass, vom Konsolidierungskurs abzuweichen".

Bundeswehr: Bisher ist kaum erkennbar, wie bei den Streitkräften der Konsolidierungsbeitrag von acht Milliarden erbracht werden soll. Selbst wenn die Wehrpflicht wie von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) geplant ausgesetzt wird, heißt es in Führungskreisen der Unionsfraktion, werde das keine gravierenden finanziellen Entlastungen zur Folge haben. Den Haushalt 2011 betrifft das aber nicht.