Finanzminister weicht von seiner harten Linie ab und nähert sich der FDP an

Berlin. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sucht nach Ende der politischen Sommerpause offenbar den Schulterschluss mit den Liberalen. Er kommt dem Koalitionspartner im Dauerstreit um die von der FDP geforderten Steuersenkungen vorsichtig entgegen: Wenn Steuersenkungen "im Rahmen der wachstumsfreundlichen Konsolidierungspolitik unter Einhaltung der Schuldenbremse möglich" seien, dann schließe er sie nicht aus, gab Schäuble in der "Bild"-Zeitung zu Protokoll. Bislang hatte sich der Finanzminister als größter Kritiker der Steuersenkungspläne der FDP inszeniert, ja deren Ideen regelrecht zerpflückt und führende Liberalen damit gegen sich aufgebracht.

Allerdings seien Steuervereinfachungen im kommenden Jahr das derzeit wichtigste Ziel, machte Schäuble klar. Er kündigte in diesem Zusammenhang an, künftig sollten die Finanzämter schon vorausgefüllte Steuererklärungen elektronisch verschicken. Dies könne vielleicht schon 2011 passieren. Auch das war von der FDP so gefordert worden.

Zugleich verteidigte Schäuble die von der Bundesregierung geplanten neuen Steuern auf Brennelemente, den Abbau von Ausnahmen bei der Ökosteuer und die neue Abgabe auf Flugtickets. Die wirtschaftliche Entwicklung laufe zwar viel besser als erhofft, doch sei nun die zu hohe Staatsverschuldung konsequent abzubauen. "Deshalb sparen wir, aber wir wollen durch eine maßvolle Besteuerung von Energie auch zusätzliche Einnahmen zum Schuldenabbau verwenden", sagte Schäuble. Die Bundesregierung werde ihr Sparpaket trotz der wirtschaftlichen Erholung ohne Abstriche umsetzen, machte er zudem in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" deutlich. Nur eine nachhaltige Konsolidierung der Finanzen schaffe Vertrauen in der Bevölkerung. Auch international will Schäuble auf eine größere Stabilität in der Haushaltspolitik pochen.

Die FDP hält ohnehin weiter an ihrem Ziel fest, noch in dieser Legislaturperiode - also bis 2013 - Korrekturen bei der Einkommensteuer durchzuführen, sie will sich aber, da ihr das Thema alles andere als Glück gebracht hat, im Zuge der jetzt beginnenden Programmdebatte inhaltlich breiter aufstellen. Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher und Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, reagierte dennoch erfreut auf Schäubles Klarstellung: "Die FDP begrüßt die Einschätzungen des Ministers, weil wir an dem Ziel der Entlastung der Mittelschicht festhalten - zunächst allerdings wird die Haushaltskonsolidierung insbesondere durch Ausgabensenkungen vorangetrieben werden müssen", sagte Fricke dem Hamburger Abendblatt - und kam dem Minister damit gleich selbst entgegen. "Haushaltssanierung ist die Voraussetzung für eine Entlastung der Bürger und nicht für neue Ausgaben", betonte Fricke. "Erstmalig in der Geschichte will die Koalition nun die Staatsausgaben in nennenswertem Umfang reduzieren. Unabhängig davon müssen wir dieses Jahr dafür nutzen, spürbare Vereinfachungen des Steuerrechts ins Gesetz zu bringen. Steuervereinfachungen sind der erste Schritt zu einer größeren Steuerreform."

Wegen des besseren Konjunkturverlaufs, der es Schäuble nun offenbar leichter macht, Steuersenkungen vage in Aussicht zu stellen, muss sich der Bund nach Worten des Unions-Haushaltsexperten Norbert Barthle dieses Jahr jedenfalls erheblicher weniger frisches Geld an den Kapitalmärkten leihen. Barthle forderte, die Neuverschuldung im Etatentwurf 2011 von Finanzminister Wolfgang Schäuble deutlich zu drücken. Die aktuell veranschlagte Nettokreditaufnahme von 57,5 Milliarden Euro müsse unter 50 Milliarden Euro sinken, sagte er. Die zusätzlichen Steuereinnahmen, die jetzt wegen der guten Konjunktur in die Staatskasse fließen, sollten komplett zum Schuldenabbau genutzt werden. Die Haushaltsexperten der Regierungskoalition treffen sich am Donnerstag und Freitag zu einer Klausur, um mögliche Nachbesserungen am Regierungsentwurf abzusprechen. Vom 14. bis 17. September berät dann erstmals der Bundestag über den Haushalt 2011.

Der Grünen-Haushaltspolitiker Alexander Bonde warnte die Koalitionäre unterdessen davor, sich zu früh zu freuen. "Die Schuldenproblematik wird nicht dadurch gelöst, dass es in einem Jahr besser läuft als erwartet", erklärte er in Berlin.