Nur sechs Prozent der Vorstände, Minister und Behördenleiter sind mit Merkel und Co. zufrieden. Und: Sie empfehlen eine Reichensteuer.

Berlin. Die tief zerstrittene Regierungskoalition hat ihren Kredit in den deutschen Chefetagen nahezu verspielt. 92 Prozent der Entscheider in Wirtschaft, Politik und Verwaltung zeigen sich im „Capital“-Elite-Panel von der Regierung enttäuscht.

Auch das Image von Kanzlerin Angela Merkel hat der Umfrage zufolge tiefe Kratzer bekommen. Zur Sanierung des Staatshaushaltes empfehlen die Führungskräfte auch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Den Euro wollen sie durch eine einheitliche europäische Wirtschaftspolitik sichern.

Die viel beachtete Umfrage wird seit 1987 vom Institut für Demoskopie Allensbach für die Zeitschrift „Capital“ erhoben. Befragt wurden 533 repräsentativ ausgewählte Führungskräfte, darunter 138 Vorstände, 21 Ministerpräsidenten und Minister von Bund und Ländern sowie 32 Leiter von Bundes- und Landesbehörden.

Noch nie sei die Enttäuschung über eine Bundesregierung so groß gewesen, sagte Allensbach-Chefin Renate Köcher. Von den Vorschusslorbeeren, die das bürgerliche Bündnis erhalten hatte, ist nach weniger als neun Monaten im Amt nichts mehr übrig: Nur sechs Prozent sind mit der Arbeit von Schwarz-Gelb zufrieden, mehr als drei Viertel halten die einstige Wunschkoalition von Union und FDP für zu schwach, um die anstehenden Probleme zu lösen. Fast 70 Prozent erteilen der Wirtschaftspolitik schlechte Noten, in der Dezember-Umfrage waren es nur 37 Prozent.

Das Zwischenzeugnis fällt umso verheerender aus, als die Regierung nicht vom Konjunkturoptimismus der Elite profitieren kann. 59 Prozent sehen Deutschland im Aufschwung (Dezember: 61). Ihre eigene Auftragslage bewerten die Unternehmenslenker zu 81 (62) Prozent als gut oder sehr gut. Üblicherweise gingen die Auftragsbeurteilung und die Bewertung der Wirtschaftspolitik im Gleichschritt, sagte Köcher. Die Umfrage legt den Schluss nahe, dass in der Wahrnehmung der Führungskräfte die Erholung nicht wegen, sondern trotz der – zankenden – Bundesregierung kommt.

Die Enttäuschung über den als verpatzt empfundenen Start der Koalition lasten die Top-Entscheider auch Merkel persönlich an. 49 Prozent halten die CDU-Chefin für eine schwache Kanzlerin, 44 Prozent halten sie für stark. So schlecht stand Merkel zuletzt im Herbst 2006 da. Noch deutlich schlechter schneidet Vizekanzler Guido Westerwelle ab. So bescheinigen ihm nur zwei Prozent der Befragten politisches Fingerspitzengefühl.

Trotz der miserablen Beurteilung rechnen 77 Prozent der Entscheider damit, dass die Koalition bis 2013 durchhalten wird. Dabei sehen sie offenbar keine Alternative, denn nur 41 Prozent gaben an, dass ihnen rückblickend ein anderes Bündnis lieber gewesen wäre. Um eine höhere Zustimmung zu bekommen, müsste die Koalition Köcher zufolge den Schulterschluss proben und mehr nach innen als nach außen diskutieren. Ein „Maulkorberlass“ könne helfen, sagte Köcher. Trotzdem werde es lange dauern, bis die Koalition wieder aus diesem tiefen Tal herauskomme.

In Deutschland plädiert eine satte Mehrheit für einen Sparkurs (76 Prozent) und die Einhaltung der Schuldenbremse (86 Prozent). Dabei sind die Entscheider auch bereit, eigene Beiträge zu leisten: Zwei Drittel halten eine Erhöhung des Spitzensteuersatze für akzeptabel, 83 Prozent würden es hinnehmen, wenn den Unternehmen Finanzhilfen gekürzt würden. Für eine generelle Erhöhung der Lohn- und Einkommensteuer sprachen sich dagegen nur 18 Prozent aus.