Trotz extrem voller Kassen profitieren 20 Millionen Ruheständler in Deutschland nicht. Die Mütterrente belastet die Bilanz der gesetzlichen Rentenversicherung enorm.

Würzburg. Es ist eine absolut kuriose Situation: Die Reserven der gesetzlichen Rentenversicherung sind so hoch wie seit über 20 Jahren nicht. Und doch warnen Arbeitgeber und Gewerkschaften als Hüter der Rentenversicherung Bund, dass die Kassen schon 2019 leer sind. Grund ist vor allem das ausführliche Rentenpaket der Großen Koalition von Union und SPD. Es sieht unter anderem eine sogenannte Mütterrente, Verbesserungen bei der Erwerbsminderung sowie eine abschlagfreie Rente mit 63 Jahren unter bestimmten Bedingungen vor.

Vor allem die Mütterrente sorgt bei der Rentenversicherung für Unmut. Dadurch erhalten auch Frauen mit Kindern, die vor 1992 geboren wurden, einen zusätzlichen Entgeltpunkt. Allerdings kommen die dazu notwendigen 3,4 Milliarden Euro allein in diesem Jahr (2015: 6,8 Milliarden Euro) nicht wie gewohnt aus Steuergeldern. Das Geld für die rund 9,5 Millionen betroffenen Frauen muss die Rentenversicherung aus ihren Reserven bezahlen.

Die Vorstandsvorsitzende der Rentenversicherung, Annelie Buntenbach (DGB), sprach am Dienstag in Würzburg von einer "Zweckentfremdung der Beitragsmittel". Die Rentenversicherung halte es für "unabdingbar notwendig, die entstehenden Mehrausgaben über Steuern zu finanzieren, da es sich bei den Kindererziehungszeiten um gesamtgesellschaftliche Aufgaben" handele. Heißt: Wenn die Bundesregierung das so will, müssen es alle Steuerzahler finanzieren und nicht nur Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die in die Rentenkasse einzahlen.

Höheres Plus im Osten als im Westen

Gleichzeitig kündigte Buntenbach an, dass die 20 Millionen Rentner in Deutschland im kommenden Jahr mit einer Rentenerhöhung von ein bis zwei Prozent rechnen könnten, im Osten wird das Plus wie zuletzt voraussichtlich etwas höher ausfallen als im Westen. Genau könne man das noch nicht sagen. Durch einen statistischen Effekt bei der Bundesagentur für Arbeit müsse die Rentenerhöhung 2015 anders berechnet werden. 2016 soll das Plus für die Rentner wieder höher ausfallen.

Gleichzeitig sinkt der Beitragssatz voraussichtlich von derzeit 18,9 Prozent des Bruttoeinkommens auf 18,7 Prozent. Wer 3000 Euro verdient, zahlt also künftig monatlich drei Euro weniger.

Das ist möglich, weil die Reserven der Rentenkasse durch die zuletzt gestiegenen Löhne und Gehälter auf jetzt 32,0 Milliarden Euro angewachsen sind. Diese Nachhaltigkeitsrücklage bedeutet das 1,8-Fache einer Monatsausgabe. Wegen Mütterrente und anderer Ausgaben sowie wegen des sinkenden Beitrages schmilzt dieser Schatz schon bis 2019 auf das 0,2-Fache einer Monatsausgabe. Und spätestens dann schlägt die Rentenversicherung Alarm. Denn wie im Jahr 2005 ist dann sogar die pünktliche monatliche Auszahlung der Renten bedroht. Welchen Aufstand dieser Jo-Jo-Effekt bei der Rente auslösen dürfte, kann man sich lebhaft ausmalen. (ryb)