Grüne fordern Sorgerecht auch für „nicht leibliche“ Eltern. Regierung sieht keinen Bedarf. Das Familienministerium sieht für das Kindeswohl in einer Patchwork-Familie keine Nachteile.

Hamburg/Berlin. Mutter, Vater, Kind – dieses traditionelle Lebensmodell ist nur noch ein Teil unserer Gesellschaft, in der die Lebensverhältnisse von Familien komplexer werden. Laut dem „Monitor Familienforschung“ 2013 sind zwischen sieben und 13 Prozent Patchwork-Familien. Kinder haben mehrere Väter oder Mütter – die alten und die neuen Partner ihrer Eltern. Doch detaillierte Zahlen gibt es nicht. Das geht aus einer Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag hervor, die dem Abendblatt vorliegt. Auch für Hamburg werden die Daten zu „Stiefeltern“ oder Patchwork-Familien nicht erfasst. Klar ist laut Mikrozensus 2012 nur: In Hamburg sind 230.000 Familien registriert. Die steigende Scheidungsrate führe zu einer höheren Zahl an Patchwork-Familien, antwortet das Bundesfamilienministerium.

Die Grünen kritisieren die Politik des Ministeriums scharf. Ministerin Manuela Schwesig (SPD) spreche „gerne von der Vielfalt der Familienformen, aber bei den Patchwork-Familien hat sie offensichtlich einen blinden Fleck“, sagt Grünen-Familienexpertin Katja Dörner dem Abendblatt. Die Bundesregierung müsse sich endlich trauen, die rechtlichen Herausforderungen von sogenannten „sozialen Eltern“ und deren Familien anzugehen. Knackpunkt ist die Frage, wie schnell und einfach nicht leibliche Eltern ein Sorgerecht erhalten. „Eine Ausweitung des kleinen Sorgerechts auf soziale Elternteile wäre ein erster Schritt“, sagt Dörner.

Heiratet jemand ein zweites Mal und bringt ein Kind mit in die Ehe, erhält der neue Partner verschiedene Rechte als Stiefelternteil. Doch das alleinige Sorgerecht bleibt in der Regel bei den leiblichen Eltern, dem neuen Partner steht lediglich das „kleine Sorgerecht“ zu. Im Alltag kann er oder sie viel mitentscheiden, aber in wichtigen Fragen zur Erziehung bleibt der neue Partner außen vor. So darf ein Stiefvater mitbestimmen, um welche Uhrzeit das Kind ins Bett gehen muss – aber nicht, welche Schule es besuchen soll. Ohne Heirat erhalten neue Partner kein Sorgerecht, auch nicht das „kleine“. Und auch nach der Hochzeit bedarf es einer Vollmacht des leiblichen Elternteils für den neuen Stiefvater oder die neue Stiefmutter.

Die Bundesregierung hält das bestehende Recht laut der Anfrage der Grünen für ausreichend. Zu erheblich seien die Probleme, die vor Gericht entstehen würden, sofern Urkunden über Ehe oder Lebenspartnerschaften nicht vorhanden sind. Auch beim Unterhalt sieht die Regierung keinen Handlungsbedarf. Hier fordern die Grünen Steuererleichterungen für nicht leibliche Eltern, die oft mit ihrem Einkommen die neue Familie unterstützen. Zudem hätten auch die Kinder gegenüber ihren „sozialen Eltern“ keinerlei Rechte wie Unterhalts- oder Erbansprüche.

Das Familienministerium sieht für das Kindeswohl in einer Patchwork-Familie keine Nachteile. Forschungen würden zeigen, dass eine gute Beziehung beispielsweise zum Stiefvater einem engen Verhältnis zum leiblichen Vater nicht entgegenstehe. Entscheidend sei die Erziehung der Eltern, nicht aber die Form des Familienmodells. Die Bundesregierung prüfe, ob weitere Studien zu den Auswirkungen einer Patchwork-Familie auf das Wohl des Kindes notwendig seien.