Beim Landesparteitag landet ein Veteran der Schill-Partei weit vorn auf der Kandidatenliste für die Wahl im Februar. Die Fortsetzung der AfD-Versammlung am Sonnabend begann mit Protesten.

Hamburg. Der zweite Tag des Landesparteitags der Alternative für Deutschland (AfD) in Hamburg wird von Protesten gegen Rechts begleitet. Am Vormittag versammelten sich etwa 70 Demonstranten mit Bannern vor dem Veranstaltungssaal am Holstenwall, um gegen die Gesinnung der neugegründeten Partei zu protestieren.

Laut Polizei blieb der Protest bis zum Mittag friedlich. In der Vergangenheit war es wiederholt zu Übergriffen auf Mitglieder und Funktionäre der Partei gekommen.

AfD will zehn Prozent erreichen

Einige der 128 abstimmungsberechtigten Mitglieder der Alternative für Deutschland (AfD) beim Hamburger Landesparteitag schienen am Freitag noch überrascht zu sein, wie kompliziert Demokratie sein kann. „Es wird ein langer und arbeitsreicher Tag“, hatte ihnen Versammlungsleiter Alfred Glaser versprochen, und er sollte recht behalten.

Nach einem bereits knapp vierstündigen Abstimmungsmarathon über diverse Geschäftsordnungsanträge, Tagesordnungspunkte und Satzungsänderungswünsche konnte erst um kurz vor 13 Uhr der erste von insgesamt 30 Wahlgängen abgehalten werden, die über die Listenplatzierungen der Bürgerschaftskandidaten entschieden.

Immerhin: Der AfD-Landesvorsitzende Jörn Kruse wurde noch vor der Mittagspause mit 113 Stimmen auf Listenplatz eins zur Bürgerschaftswahl im kommenden Februar gewählt. Der AfD-Bundesvorsitzende Bernd Lucke fuhr da gerade mit dem Taxi vor der Handwerkskammer am Holstenwall vor. Als er den Saal betrat, gab es stehende Ovationen.

Vor dem zweitägigen Landesparteitag, auf dem in erster Linie die Kandidatenkür vorgenommen und in zweiter Linie programmatische Themen diskutiert werden sollten, hatte es Unstimmigkeiten gegeben: Zum einen waren die Einladungen an die Medien sehr spät oder gar nicht verschickt worden. Zum anderen kursierten verschiedene Tagungsorte (Handwerkskammer, Handelskammer), die Tagesordnung war geheim, und überhaupt war nicht klar, ob die Medien aus der Versammlung würden berichten dürfen. Gleichwohl war das Interesse groß. Landeschef Kruse nutzte die Gunst der Stunde: „Wir wollen uns öffentlich präsentieren“, sagte er, „wir wollen nicht die Partei präsentieren, als die wir häufiger dargestellt werden. Wir sind weltoffen, tolerant und liberal. Gerade in Hamburg wäre alles andere töricht.“ Die Delegierten folgten seinem Antrag und stimmten für eine Zulassung der Medien – auch bei den Kandidatenvorstellungen.

In seiner Begrüßungsrede umriss Kruse die Linie, auf der die AfD in Hamburg marschieren will: „Wir als Hamburger AfD wollen das gute Hamburger Bürgertum vertreten. Das heißt aber nicht, dass wir damit nur Blankenese und Volksdorf meinen.“ Für Heiterkeit sorgte seine Bemerkung, dass die AfD durch „die zu erwartende Krise 2015 so viele Stimmen einfahren könnte, dass die Zahl der Kandidaten vermutlich nicht für die Fraktion ausreichen würde“.

Rund ein Dutzend Sitze in der Bürgerschaft sollen es werden

Dem Scherz folgte jedoch sofort eine realistische Einschätzung: „Wir sollten nicht ein so gutes Ergebnis wie in den ostdeutschen Ländern erwarten, da sich die Hamburger Parteienlandschaft von derjenigen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg unterscheidet. Wenn wir den Linken Stimmen wegnehmen können, freut mich das ganz besonders.“ Doch da die Linke in Hamburg nicht so stark wie im Osten sei, peile man nun rund ein Dutzend Sitze in der Bürgerschaft an – was dann doch etwa zehn Prozent der Wählerstimmen entspricht. „Wir sollten auf dem Teppich bleiben!“ Würde er in die Bürgerschaft gewählt werden, strebe er den Fraktionsvorsitz an und wolle sich besonders in der Wirtschafts- und Bildungspolitik engagieren, so Kruse.

Auf den Listenplätzen zwei bis vier wurden mit Bernd Baumann, Dirk Nockemann und Joachim Körner verdiente Parteimitglieder zur Wahl vorgeschlagen, die dann vom Landesparteitag auch jeweils mit guten Ergebnissen bestätigt wurden. Jeder Kandidat bekam fünf Minuten Redezeit sowie weitere fünf Minuten, um Fragen aus dem Plenum zu beantworten. Dabei kristallisierten sich rasch die Schwerpunkte des AfD-Wahlkampfprogramms heraus: „Hamburg ist das Tor zur Welt, und nicht die Tür zum Verbrechen“, sagte Bernd Baumann in Anspielung auf die offensichtliche Zunahme der Einbruchsdelikte im ersten Halbjahr 2014. „Aber auch die linke Gewalt zieht sich wie eine Blutspur durch die Stadt. Da muss was passieren!“

Sicherheitsfrage, Ausländerpolitik, Schulsystem waren Themen des ersten Landesparteitages

Auch Dirk Nockemann, für die Schill-Partei von August 2003 bis März 2004 Innensenator der Hansestadt, setzte auf die Sicherheitsfrage. Er bemängelte das „Kaputtsparen bei der Polizei“ und bezeichnete Hamburg als „eine Stadt der Unsicherheit, in der Menschen nachts Angst haben müssen, S-Bahn zu fahren“. Und wer diese Standpunkte kritisiere, dem antworte er nur: „Wir sagen, was wir denken, und wir denken, was wir tun!“

Als Gastredner kamen Hans-Olaf Henkel und am Nachmittag Bernd Lucke zu Wort. Henkel forderte ein Umdenken in der Ausländerpolitik: „Jedes Land sucht sich die Zuwanderer aus. Bei uns ist es umgekehrt“, sagte er und pries das „Punktesystem Kanadas. Es darf jedoch niemals den Geruch von Ausländerfeindlichkeit bekommen.“

Bernd Lucke schilderte seine Vision einer Veränderung der Bildungspolitik, die in Zukunft wieder mehr auf Leistung, auf Pflichtbewusstsein, Anstand und Disziplin setzten sollte. Er bevorzuge das dreigleisige Schulsystem, das sich bewährt habe, so Lucke. Zudem strebe die AfD mehr direkte Demokratie an, als es in Hamburgs gebe. „Wenn der Staat wie bei der Elbphilharmonie die Kontrolle über die Kosten verliert“, sagte Lucke, „dann sollten die Bürger zukünftig abstimmen, ob weitergebaut wird oder nicht.“